Sonntag, 18. November 2012

Schwarz-Grün im Test


Nach dem die Grünen per Urwahl ihre beiden Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl bestimmt haben, mehren sich die Stimmen, die eine künftige Schwarz-Grüne Koalition nach der Wahl 2013 im Kommen sehen. Medial wird als Grund dafür die relativ überraschende Wahl von Katrin Göring-Eckardt neben Jürgen Trittin angesehen. Göring-Eckardt ist Mitglied im Präsidium der Evangelischen Kirche in Deutschland und gilt Parteiintern als dem rechten oder auch Realo-Flügel zugehörig. Das nehmen Deutschlands Leitmedien als Indiz, eine Annäherung der Grünen an die CDU/CSU festzustellen.  
Doch bedarf es wirklich KGE von der EKD, um diese Zwei Parteien füreinander bündnisfähig zu machen? Im ersten Teil des großen Koalitionschecks analysiert Heinrich Pedersen die Affinität auf Seiten der Bündnisgrünen zu den Unionsspitzen.

Alexander Dobrindt:
Der Chefreaktionär der Unionsparteien ist für diesen Posten auch wirklich die Idealbesetzung. Antiatomkraftgegner bräuchten sich nicht zu wundern, wenn in ihren Gärten bald Minarette stünden. Und die Linke gehört sowieso verboten.  Erstere Äußerung hinzunehmen, wäre für einen Cem Özdemir wohl dann doch etwas zu viel Integration. Und letzteres Statement würde wohl auch den letzten grünen Quotenlinken Ströbele vergraulen. Dabei ist Dobrindt durchaus Mann, aber vor allem Mensch von Welt. Es muss bei ihm nicht mehr immer nur der Rotary Club sein. Auch im Vapiano oder im Berghain trifft man den Bayern bei Berlinbesuchen öfter, seitdem er sein Styling prenzelbergfähig gemacht hat. Trotzdem bleibt die Frage offen, ob die Grünen, die so sehr in der bürgerlichen Mitte ankommen wollen, ihm den antigrünen Disstrack „Ein Männlein steht im Walde ganz grün und dumm“ verzeihen können.

Grünenfaktor: Etwas mehr rhetorische Nonchalance und der sympathische Hipster darf zumindest beim veganen Brunch dabei sein.

Peter Altmaier:
Er ist Umweltminister. Und das könnte ein Problem werden in der nächsten Koalition. Denn diesen Job will und bekommt ein Grüner, und wenn nicht dann zumindest eine Grüne. Aber Altmaier ist auch flexibel. Wo Angie ihn braucht, da geht er hin, ohne zu meckern. Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Europaexperte oder nun Umweltminister. Altmaier kann alles und macht alles. Deswegen wird schon irgendein Job für ihn abfallen. Und auch wenn sein Aussehen nicht gerade en vogue ist, für die Grünen ist Altmaier der Kuschelbär in der neuen Koaltion. Schon während Zeit der „Pizzaconnection“ ließ er sich bei informellen Treffen mit grünen Jungpolitikern gut schmecken. Und mit seinem Herz für Migranten, Homosexuellenrechte und Netzpolitik erweicht er am Ende auch das Herz des letzten grünen Fundis. Zwar bremst Altmaier als Umweltminister systematisch die Solarbranche aus, aber für pragmatische Kompromisse sind die grünen Realos immer zu haben.

Grünenfaktor: Sogar die grüne Jugend feiert ihn mit der Internationalen. Die Realos feiern ihn sowieso, zwar ohne die Internationale, aber in Mitte gibt’s doch diesen netten Italiener. Da könnte man ja mal wieder gemeinsam hin.

Ilse Aigner:
Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin. Also schon wieder eine, die einen Job hat, den die Grünen eigentlich für eine(n) der Ihrigen wollen. Aber puh… Glück gehabt. Die geht ja nach der bayrischen Landtagswahl wieder zurück in die Provinz.

Grünenfaktor: Stress gibt’s nur, wenn die CSU die Landtagswahl verliert und sie doch bleiben will.

Wolfgang Schäuble:
Wenn sich Helmut Schmidt erst zu Tode gepafft hat, ist er die graue Eminenz der deutschen Politik. Aber solange Wehrmachtsoffizier a.D. Schmidt noch lebt, wird Angela Merkel auf Schäuble wohl nicht verzichten wollen. Seine Law-and-Order-Politik als Innenminister kam bei der freigeistigen Parteibasis der Grünen ja nicht so toll an. Aber das Gute ist, dass die Gesetzte ja nun schon mal verabschiedet sind. Und um sich lästige Debatten zu sparen, können die Grünen getrost darauf verzichten, die Vorratsdatenspeicherung wieder abzuschaffen. Man wird also keinen Pseudo-Streit mir Kamerad Schäuble anzetteln müssen, um ein Bürgerrechtsimage zu pflegen. Aber der Schäuble ist ja mittlerweile eh Finanzminister. Dumm nur, dass das auch Jürgen Trittin werden will. Jedenfalls sinnierte Schäuble schon 1998 über Schwarz-Grüne Koalitionen und ein Pragmatiker wie er findet bei den ebenso pragmatischen Grünen vielleicht auch Anklang

Grünenfaktor: Er ist schon ein oller Spießer. Aber was soll’s davon haben die Grünen ja selber genug.

Horst Seehofer
Jeder weiß, die Grünen sind keine singenden Blumenkinder mehr. Auch keine radikalen Friedensaktivisten und auch keine militanten Gleisblockierer. Man sagt, sie  seien entweder erwachsen geworden, realistisch, in der Mitte der Gesellschaft angekommen, pragmatisch oder einfach alles zusammen. Jedenfalls sind sie deutlich nach rechts gerückt. Aber der Abzweig nach rechts ist weit und fast an seinem Ende steht Horst Seehofer. Er will sich gegen „die Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme bis zu letzten Patrone wehren“. Die Grünen müssen also doch noch ein Stück weiter gehen, damit sie sich mit dem Vollhorst im Bierzelt zuprosten können. Aber Parteien sind entwicklungsfähig und Seehofer ist genau wie Dobrindt doch eigentlich gar nicht so übel, wie es auf den ersten Blick scheint. In zweiter Ehe verheiratet dazu noch ein Kind außerhalb jeglichen Ehegelübdes gezeugt. So schlimm ist der katholische Muff beim Seehofer Horst auch wieder nicht.

Grünenfaktor: Der CSU-Chef will ja eh in Bayern bleiben und solange das so ist, wissen die Grünen ihn und seine Patchworkfamilie auch als alternatives Lebensmodell zu schätzen.

Ronald Pofalla
Die rechte Hand der Kanzlerin ist stylisch auf jeden Fall auf der Höhe. Und von ihm können die Grünen auch politisch noch einiges lernen. Die „dämliche(n) Fresse(n)“ von parteiinternen Querulanten kann er ja bekanntlich schon lange nicht mehr sehen.  Adrett aber durchsetzungsstark. Er trifft den Ton der Berliner Politik. Mehr von seiner Sorte bei den Grünen und man müsste keine nervigen Sonderparteitage durchführen, um die Beibehaltung der Atomenergie bis 2022 durchzusetzen.

Grünenfaktor: Bei den Grünen beliebter als bei der CDU. Bekommt nach seiner politischen Karriere eine Job bei der Heinrich-Böll-Stiftung.

Kristina Schröder
Sie ist selber emanzipiert und wendet sich gegen ein Diktat von Rollenbildern. Jedenfalls wenn man ihrem Buch glauben darf. Klingt schon irgendwie grün. Aber die Kristina wird noch besser. Sie fordert von deutschen Unternehmen eine Frauenquote in Führungspositionen. Jedes grüne Herz wird dabei höher schlagen, gelten doch auch bei den oberemanzipierten Grünen Frauenquoten als bestes Mittel, um die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen zu kaschieren. Und seitdem Frau Schröder auch noch als Ministerin, sozusagen im Amt, ein Kind bekam, sinniert sie über die Herausforderungen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Dass das mit einem Ministergehalt besonders schwierig ist, können auch die Grünen Architektinnen, Oberärztinnen, Verwaltungsbeamtinnen und innovative Unternehmerinnen bestens nachvollziehen.

Grünenfaktor: Voll emanzipiert. Die Grünen müssen sie einfach lieben.

Ursula von der Leyen
 Die Bundesministerin für Arbeit(slosigkeit) und (Un)Soziales haut gern mal in die Kerbe. Als sie gönnerhaft die Bezüge für Hartz IV-Empfänger um fünf Euro erhöhte, mahnte sie zugleich an, dass im Hartz IV-Satz kein Geld für Tabak und Alkohol enthalten sei. Das können bestimmt auch die Grünen unterschreiben, die sich eh wundern, warum die ganzen Hartzer die Staatskohle lieber versaufen, anstatt Bioprodukte zu kaufen. Trotzdem beschlossen die Grünen auf ihrem Parteitag in Hannover, den Hartz-IV Satz auf dekadente 420 Euro zu erhöhen zu wolle n. Ob Frau von der Leyen, den Ökos so viel soziale Wärme durchgehen lässt, bleibt fraglich.

Grünenfaktor: Passt schon. Gegen „Prekariat“ und „Unterschichten“ verbindet die gleiche Antipathie.

Angela Merkel
Angie weiß, wie es um die Machtoptionen der CDU steht. Mit der FDP ging es ja widererwarten nicht so besonders gut und mittlerweile nervt der Koalitionspartner auch nur noch. Mit den Sozen könnte man es natürlich wieder machen, aber warum nicht auch mal die Grünen ausprobieren. Vorteilhaft wäre eine Koalition mit den Grünen insofern, als das sie weniger Ministerposten an den Koalitionspartner abtreten müsste. Dann wäre auch wieder Spielraum da, so sympathische Kollegen wie Karl Theodor zu Guttenberg oder Norbert Röttgen zu begnadigen. Inhaltlich jedenfalls hat Merkel kein Problem mit den Grünen. Wenn’s drauf an kommt, stimmen sie allem zu, was die CDU vorschlägt. Bankenrettungsschirme, Gnadenfrist für Atomkraftwerke, Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Und alles aus der „Opposition“ heraus. Wie handzahm müssen die Grünen wohl erst als Regierungspartei sein? Angie will die Grünen und dann werden die Grünen auch sie wollen.

Grünenfaktor: Auf jeden Fall besser als die Zampanos Schröder und Steinbrück

Peer Steinbrück
Huch, was macht der denn hier? Tja, nachdem die SPD die Bundestagswahl mit einem noch schlechteren Ergebnis beendet hat als bei der Wahl 2009, war der Schuldige schnell gefunden. Bei den Genossen in Ungnade gefallen nimmt Angela Merkel Klare-Kante-Peer in ihre Regierung auf. Warum? Natürlich vor lauter Dankbarkeit, dass Steinbrück während des Wahlkampfes genau das Gleiche erzählt hat wie sie selbst und damit auch die letzten SPD Wähler verprellen konnte. Sein Posten? Minister ohne Geschäftsbereich. Denn nach dem langen Wahlkampf braucht er erstmal Zeit für eine ausgedehnte Vortragstournee durch die Hotellobbies der Republik.

Grünenfaktor: Egal, ist ja eh nie da.


Montag, 8. Oktober 2012

Danke für Steinbrück

„Die beste Wahl“ so titelte der SPIEGEL zur Nominierung Peer Steinbrücks zum Kanzlerkandidaten der SPD für die kommende Bundestagswahl im Jahr 2013. Und in der Tat, Deutschlands Leitmedium Nummer Eins trifft es mal wieder auf den Punkt. Steinbrück ist die beste Wahl für eine Partei wie die SPD. Aber auch für das Wahlvolk, welches in einem Jahr mal wieder die Qual der Wahl hat, sich zwischen alternativlosen Sparmaßnahmen  oder einsparenden Alternativen entscheiden zu müssen, ist seine Nominierung ein Segen.
Endlich packt die SPD die Karten auf den Tisch und dies vielleicht deutlicher als je zuvor. Steinbrück ist ein konsequenter Verfechter der Agenda und Hartz Politik unter Gerhard Schröder. Parteigenossen, die soziale Korrekturen an diesen Armutsreformen fordern, werden von ihm als Heulsusen bezeichnet.  Er plädiert knallhart für eine Absenkung des Rentenniveaus von derzeit 50 auf später 43 %, was erhebliche Rentenkürzungen für Durchschnitts- und Geringverdiener bedeuten wird.  Kurz nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten forderte er auf einem NRW Landesparteitag der SPD dann auch schon mal eine gewisse Beinfreiheit für sich ein, beruhend auf der Begründung das Wahlprogramm müsse auch zum Kandidaten passen. Übersetzt heißt das also: Steinbrück möchte nicht zu viele linke Querschläger. Überhaupt macht Steinbrück deutlich: Alles soll so bleiben, wie es ist. Bloß statt Angela Merkel soll halt er Bundeskanzler sein.

Natürlich könnte man sich jetzt ärgern, dass die SPD ein im Rechtssein nur noch von Thilo Sarrazin zu überbietendes Parteimitglied zum Kanzler machen will und damit weder eine Abkehr von der Schröder‘schen Ära noch die Bildung einer „linken“ Koalition (SPD, Grüne, Linke) in Aussicht steht. Doch Steinbrücks Nominierung sollte weniger als ein weiterer falscher Schritt der „Genossen“ bewertet werden, sondern vielmehr als eine logische Konsequenz der Entwicklung der SPD. Nicht erst seit Gerhard Schröder war die SPD stets bemüht, den Interessen der deutschen Monopolkapitalisten zu entsprechen. Ob es nun die Verabschiedung des „Radikalenerlasses“  1972 unter Willy Brandt war, der „Verfassungsfeinden“ die Ausübung bestimmter Berufe verbot und damit viele fortschrittliche politische Aktivisten in existenzielle Nöte brachte.  Oder auch die Zustimmung der SPD Bundestagsfraktion 1992 zum sogenannten „Asylkompromiss“, in der faktisch das Asylrecht abgeschafft wurde; in einer Zeit in der die sich verschärfenden sozialen Widersprüche in der BRD in Ausländerfeindlichkeit kanalisiert werden sollten.
Mit Peer Steinbrück als Spitzenkandidaten für die kommende Bundestagswahl  sind somit auch die letzten Illusionen über eine soziale SPD dahin, die vorher mehr oder weniger gut kaschiert werden konnten. Nicht dass mit einem anderen Kanzlerkandidaten eine Wende in der Politik der Sozialdemokraten zu erwarten wäre, aber andere SPD Politiker hätten es vielleicht vermocht, in Form linkerer Rhetorik der Partei einen sozialeren Anstrich zu geben.  Aber die SPD tut sich und allen anderen den Gefallen, mit der sozialen Demagogie endlich  zu brechen.  Steinbrücks klare Botschaft ist: ein Kapitalismus mit menschlichem Antlitz funktioniert nicht – weil, na klar: zu teuer – und wird darum er auch gar nicht erst angestrebt –denn, warum auch das Unmögliche versuchen. Steinbrück ist auch Realist genug, um zu wissen, dass die traditionelle Basis der SPD – die Arbeiter und Angestellten – sowieso nicht zu ihr zurückkehren. Also macht er in seinem Buch „Unterm Strich“ auch gleich deutlich, dass er eine Anbiederung an die Arbeiterklasse ablehnt und sein Stimmvieh daher vor allem im Kleinbürgertum zu suchen ist.
Dazu passt auch sein Konzept zur Banken –und Finanzmarktregulierung. Was manch einer noch als Kapitalismus light schön reden könnte, ist ein alter Schuh aus der Mottenkiste. Eine Trennung von Investmentbanking und Einlagengeschäft bei Banken wird wohl kaum dazu taugen, den Spekulationszwang aufgrund von chronischer Überakkumulation von Kapital abzuschaffen. Auch eine von Steinbrück geforderte Bankenaufsicht wird eher ein weiteres hochbezahltes Gremium sein, vor dem das Finanzkapital mit seiner ökonomischen Macht kaum erzittern dürfte. Allerdings macht sich auch im kleinbürgerlichen Milieu Kritik an den Auswirkungen des Kapitalismus breit und darum hat Steinbrück diesen kapitalistischen Kosmetikbeutel auch mit im Gepäck.
Ein weiteres Dankeschön an die SPD muss an dieser Stelle in Bezug auf das Nominierungsverfahren geäußert werden. Von vornherein standen nur drei Kanzlerkandidatenkandidaten zur Auswahl. Die sogenannte Troika mit Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und eben Peer Steinbrück beanspruchte faktisch seit der letzten Bundestagswahl das Exklusivrecht für sich, den Kreis der möglichen Kandidaten zu bilden. Zwar wurde dieses Dreiergespann nicht zum Kanzlerkandidatentriumvirat gewählt, aber spätestens seit der berüchtigten „Bastapolitik“ unter Gerhard Schröder, sollte die SPD Basis wissen, dass sie eh nur zum Abklatschen von Hinterzimmerentscheidungen da ist. Und natürlich verhielt es sich auch so mit der endgültigen Festlegung auf Steinbrück.  Eine Mitgliederbefragung war genauso überflüssig, wie eine Kür durch eine von den Mitgliedern legitimierte Delegiertenversammlung. Lässig wie immer, berief Sigmar Gabriel eine Pressekonferenz ein und stellte die Partei vor vollendete Tatsachen. Frei nach dem Motto: Wieso Demokratie heucheln, wo keine da ist? Ein bisschen Tamtam musste dann aber doch noch sein. Darum durfte der SPD-Parteivorstand dann in überraschender Einstimmigkeit nochmal ja zu Steinbrück sagen und zum Besten geben, wie froh man doch sei nun den besten Kandidaten bestimmt zu haben.

Ob die SPD und Steinbrück nun realistische Chancen haben, die nächste Bundesregierung anzuführen, ist aufgrund der derzeitigen Umfragewerte (31% SPD) und der getätigten Koalitionsaussagen (nur Rot-Grün) zweifelhaft. Aber da CDU/CSU/FDP/SPD/Grüne sowieso bei allen wichtigen Fragen einer Meinung sind, ist es auch egal, wer es sich in den Ministersesseln bequem machen darf. Viel amüsanter wird sein, wie sich Steinbrück als ehemaliger Finanzminister unter Merkel und ihr ideologisch Verwandter umherwinden wird, um sich als Alternative zu ihr und der Schwarz-Gelben Regierung zu präsentieren.  Steinbrück, der bestimmt keine linken Sticheleien setzten wird, kommt vielleicht noch auf die Idee, die CDU rechts zu überholen. Thilo Sarrazin im Schattenkabinett als Innenminister wäre da doch schon mal ein Anfang.

Samstag, 25. August 2012

Yin und Yang auf dem Klo

Liebe Leserinnen und Leser des Blogs,
sicherlich habt ihr eucht schon gefragt, warum es seid längerer Zeit keine Posts mehr gab. Ich verspreche das wird sich wieder ändern, sobald die zeitliche Situation es mir erlaubt. Um die Wartezeit ein wenig zu verkürzen, kommt hier ein Gastbeitrag von Friedrich Bienkopp. Lesenswert is er alle mal. Also rein ins Vergnügen.

 von Friedrich Bienkopp

Die Esoterik-Frauenzeitschrift happinez versucht, hübsch verpackt, ganz alte Geschlechterweisheiten in neuem Anstrich zu verkaufen.

Esoterik ist chic. Zumindest, wenn es nach happinez geht. Das selbsternannte Mindstyle-Magazin versucht, mit ansprechendem Format und Layout eine neue Zielgruppe für ihre Mischung aus Esoterik, Spiritualität und jeder Menge passender Konsumangebote zu erreichen. Welche Zielgruppe das ist, lässt sich anhand einer eigenen Resonanzstudie sehr leicht darstellen: Kaufkräftige Frauen mittleren Alters. Soweit so banal, könnte man meinen und das Magazin zu Brigitte, InTouch und co. zur Klolektüre legen. Aber einige Besonderheiten der Verkaufsstrategie machen es doch spannend, sich das "Heft für Menschen, die interessiert sind am Entdecken ihrer Innerlichkeit, verbunden mit einem angenehmen Leben" einmal näher anzuschauen. Um sich von der journalistischen Konkurrenz anderer Frauenmagazine abzuheben, wird bewusst auf ein alternativ angehauchtes Image gesetzt. Die Inhalte werden als Alternativen zum bestehenden "normalen" Leben verkauft. Mit dem Anwerben einer weiblichen kaufkräftigen Leserinnenschaft soll Esoterik gleichzeitig aus der Hippie-Ecke geholt werden und bei der Initiierung eines neuen Eso-Hypes mitgeholfen werden. Und das mit Erfolg: Seit etwas mehr als zwei Jahren auf dem deutschen Markt kann die zur Bauer Media AG gehörende Zeitschrift mittlerweile eine Auflage von 100000 verbuchen. Doch wie alternativ und fortschrittlich ist happinez wirklich? Zeit, einen Blick hinein zu werfen.
Neben den Frauenzeitschriften-Klassikern wie Gesundheits-, Reise- und Ernährungstipps finden sich Rubriken mit viel sagenden Titeln wie Spiritualität, Weisheit oder Inspiration. In der aktuellen Ausgabe 03/12 der zweimonatig erscheinenden Zeitschrift stößt man schließlich unter dem Titelthema "Energie" auf einen Artikel, an dem man beispielhaft einige Mechanismen und Strickmuster des Magazins nachvollziehen kann. Unter der Überschrift "Yin und Yang: Energien der Gegensätze" entführt uns Autorin Ingrid Melenberg in eine Welt aus gruseligen Geschlechterklischees und Halbweisheiten. Basis des Textes ist die These, dass männliche und weibliche Handlungs- und Denkmuster klar voneinander abgrenzbar wären. Jeder Mensch würde sowohl weibliche als auch männliche Energie in sich tragen. Erst, wenn beide Energien im Einklang sind, würde sich ein glückliches Leben einstellen. Was dabei als weibliche und was männliche Energien deklariert wird, kann man sich leicht vorstellen: In einer Art Psycho-Test sollen wir anhand einer Tabelle Fragen beantworten, zu welchem Geschlechterpol wir neigen würden. "Weibliche" Fragen sind z.B. "Kann ich mehrere Dinge gleichzeitig tun?" oder "kann ich Gefühle mit anderen teilen?", während auf "mannlicher" Seite gefragt wird "will ich bei Spiel und Sport immer gewinnen?" oder "bin ich gut im räumlichen Denken?". In diesem Stil geht es auch im Text weiter. Anhand von banalen Beispielen wie beispielsweise dem Schreiben eines Artikels soll verdeutlicht werden, dass verschiedene Tätigkeiten entweder männliche oder weibliche Energie erfordern würden. An der Feststellung, dass bestimmte Handlungen unterschiedliche Anforderungen an uns stellen, ist abgesehen von ihrer Banalität nichts auszusetzen. Aber die Projektion auf längst überholte Geschlechterklischees ist genauso unzeitgemäß wie gefährlich. Gruselig wird es aber nicht erst dann, wenn in dem Artikel der "weiblichen" Kompetenz zu pflegen und zu schützen, die "männliche" Fähigkeit, Führung zu übernehmen, entgegengesetzt wird. Durch pseudowissenschaftliche "Erkenntnisse" wie Ruhe = weiblich und Aktivität = männlich werden Geschlechterrollen als quasi von Natur aus bestehender Fakt dargestellt.  Die gesellschaftliche Konstruktion von Geschlechterkategorien und Einflüsse der Sozialisation bleiben dagegen völlig unbeachtet. Die Schlussfolgerung daraus hieße, dass die bestehenden Geschlechterunterschiede quasi schicksalhaft und unveränderlich in die Gesellschaft einbetoniert wären. In dieser Hinsicht erfüllt Esoterik dabei die gleiche Funktion wie Religion: Gesellschaftliche Verhältnisse werden als - durch Gott, Schicksal oder die Natur - vorgegebene Systeme betrachtet. Bei der Esoterik kommt dabei noch eine Konzentration auf das eigene Ich hinzu - in der Summe der Tod jeglichen Versuchs einer Veränderung der Gesellschaft. Happinez versucht nun auf diesen Zug aufzuspringen, mit dem Ziel eines hohen Umsatzes und einer verkaufsgeilen Eso-Industrie hinter sich. Auch wenn als fortschrittlich, nachhaltig und alternativ inszeniert, erscheint das "Mindstyle-Magazin" bei näherer Betrachtung nicht einmal Klolektüren-tauglich. Esoterik ist eben doch nicht chic.

Samstag, 26. Mai 2012

Sechs Punkte für mehr Wachstum


Mehr Wachstum in Europa. Das ist das erklärte Ziel von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Schwarz-Gelben Regierung mit dem „Sechs-Punkte-Plan“. Spätestens jetzt sollten bei allen nicht zur bürgerlichen Klasse gehörenden Menschen die Alarmglocken klirren. Allerdings droht die Bundesregierung den Menschen in den EU-Nachbarländern nicht nur mit mehr Ausbeutung, Umweltzerstörung und Umverteilung, wie „Wachstum“ allgemein verständlich übersetzt werden könnte, sondern auch mit dem Einrichten von „Sonderwirtschaftszonen“ und Treuhandanstalten.

Bisher sind Sonderwirtschaftszonen mit dem geltenden EU-Recht nicht vereinbar. Derzeit gibt es sie nur in so undemokratischen Ländern wie China, Nordkorea oder Russland. Doch da die europäischen Regierungen, sowie der EU-Apparat sowieso dabei sind, verbliebene demokratische Recht und Freiheiten abzubauen, dürfte die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen auch nicht weiter problematisch sein. Diese sollen vor allem in den sogenannten „Krisenstaaten“ wie Griechenland ins Leben gerufen werden, um, wie könnte es anders sein, das Wachstum anzukurbeln. Das Prinzip von diesen Sonderwirtschaftszonen ist keines, was sonst nicht auch angewandt würde. Arbeitsrechts- und Umweltschutzbestimmungen werden zu Gunsten der Kapitalisten noch weiter gelockert. Zudem werden Investitionskosten, vor allem in Infrastruktur, für die Kapitalisten oft schon vorher durch den Staat übernommen, sodass die Profitrate (Verhältnis von Gewinn zu eingesetztem Kapital) höher ausfällt. Weiterhin fallen weniger Steuern als allgemein üblich für die ansässigen Unternehmen an. Letztendlich lässt sich durch den „Sonderstatus“ des betreffenden Gebiets, die verschärfte Ausbeutung als notwendiger Ausnahmefall besser rechtfertigen, als würden solche Maßnahmen im ganzen Land ergriffen.
Jedoch hat sich zu früh gefreut, wer denkt, mit Wohn- und Arbeitsort außerhalb möglicher Sonderwirtschaftszonen aus dem Schneider zu sein. Denn der „Sechs-Punkte-Plan“ verheißt noch weitere spannende Überraschungen. So wird Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit empfohlen, den Arbeitsmarkt nach deutschen Vorbild zu reformieren. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Laut Spiegel-Online sollen „Kündigungsschutz gelockert und Beschäftigungsverhältnisse mit niedriger Steuer- und Abgabenlast eingeführt werden“. Dies ist genau auf der Linie der 2003 durch die Rot-Grüne Bundesregierung initiierten Agenda 2010. Auch hier wurden die Kapitalisten von Sozialabgaben befreit, Möglichkeiten zur Leiharbeit ausgeweitet, Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen und Arbeitslosenunterstützung an entwürdigende Beschäftigungen gekoppelt u.v.m. Angeblich beruht die gute Stellung Deutschlands als „Exportvizeweltmeister“ auf diesen Reformen. Und weil man in Deutschland so gerne exportiert, gibt es jetzt neben den tollsten Produkten für alle Welt, die Agendareformen für die krisenhaftigtsen EU-Länder noch oben drauf.
Doch das ist noch lange nicht alles. Mittlerweile steht im Raum in den vom Staatsbankrott bedrohten Ländern ähnlich wie in Ostdeutschland, Treuhandanstalten einzurichten. Dieser Exportschlager bundesdeutschen Imperialismus diente zwischen 1990 und 1994 hauptsächlich dazu, den Staatsbesitz der DDR möglichst profitabel an Konzerne zu verscherbeln. Dabei wurden nichtkonkurrenzfähige Betriebe einfach geschlossen, sodass eine grassierende Massenarbeitslosigkeit die Folge war. Gleichzeitig wurden profitable Betriebe wie die Werften oder Jenoptik zu Schleuderpreisen an potenzielle Konkurrenten aus dem Westen verkauft. Ebenso wurden Land und Immobilien oft unter Wert an kapitalianlagebedürftige Reiche aus dem Westen veräußert. Dieses schlaraffenlandartige Wünsch-Dir-Was für Kapitalisten soll sich nun wiederholen. Der Verkauf von Staatsbesitz wird in keinster Weise genug einbringen, um z.B. Griechenland aus der Schuldenfalle heraus zu holen. Es geht vielmehr für die EU-Imperialisten darum, die Situation auszunutzen, um günstig an profitable Unternehmen heran zu kommen. Es droht ein Ausverkauf zu Ramschpreisen. Die Folge wird sein, dass die Schulden von den entsprechenden Ländern trotzdem nicht abgezahlt werden können und die Einnahmen in Zukunft ohne die Staatsunternehmen noch geringer sein werden, sodass weiter Schulden die Folge sein werden. Eine wirkliche Entschuldung von Ländern wie Griechenland oder Portugal ist auch nicht das Ziel der Troika aus IWF, EU und EZB. Schließlich sind die Staatsanleihen zu Höchstzinsen eine Maximalprofit bringende Kapitalanlage für diverse Monopolbanken.


Die Pläne der Bundesregierung, die als Hauptscharfmacher des reaktionären EU-Bündnis fungiert, fordern die unterdrückten Massen wieder einmal heraus. Egal wie Reformen und Maßnahmen genannt werden und trotz verschiedenartiger Auswirkungen; ihr Ziel ist immer, eine noch verschärftere Ausbeutung einzuleiten und demokratische Rechte und Freiheiten einzuschränken. Internationale Solidarität wird nötig sein, um die Menschen in den am schärfsten von der Krise betroffenen Ländern in ihrem Kampf zu unterstützen. Gleichzeitig müssen Illusionen beseitigt werden, die von einer demokratischen EU, gerechten Sparmaßnahmen oder einem Ausweg innerhalb des Kapitalismus reden. 

Dienstag, 22. Mai 2012

Das Dilemma "der Linken"


Nach den beiden Niederlagen bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist die Debatte um die zukünftige Führung der Partei „Die Linke“ vollends entbrannt.  Auf der 1.Tagung der III. Parteitages am 2./3. Juni soll ein neuer Parteivorstand gewählt werden.  Die nun immer offener geführten Personaldiskussionen symbolisieren dabei die Krise, in der die Partei derzeit steckt.
Bereits im November kündigte der ehemalige Bundesgeschäftsfüher Dietmar Bartsch seine Kandidatur zum Posten des Parteivorsitzenden an.  In  den bürgerlichen Medien wird Bartsch als sogenannter "Reformer" bezeichnet, was in Wirklichkeit für einen eher rechtsgerichteten Kurs innerhalb der Partei steht.  Unterstützung  erhält  Bartsch vor allem aus den ostdeutschen Landesverbänden der „Linken“. Mehr oder weniger Prominente Fürsprecher sind unter anderem der ehemalige Parteivorsitzende Lothar Bisky, der Landesvorsitzende Mecklenburg-Vorpommerns Steffen Bockhahn oder Thüringens Fraktionschef Bodo Ramelow. Dass Bartsch gerade von ostdeutschen Linksparteifunktionären Unterstützung erhält, ist kein Zufall. Hier wird vor allem auf Landesebene versucht, Koalitionen mit der SPD einzugehen. Die  offiziellen Begründungnen für eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der bürgerlichen SPD sind die üblichen Phrasen: „Politik lebt von Mitgestaltung“, „Man dürfe sich der Verantwortung nicht entziehen“ oder „Als fundamentalopposition lässt sich nichts bewirken.“ Der eigentliche Grund für den Schmusekurs der Ost-„Linken“ mit  der SPD aber auch mit den  Grünen dürte aber wohl eher die Aussicht auf gut dotierte Posten und karrierefördernde Kontakte sein.  Mit Dietmar Bartsch als einem der  beiden Vorsitzenden der Linken wären auch auf Bundesebene die Weichen auf Rot-Rot (-Grün) gestellt. Dieser ist immerhin Duzfreund von Ex-SPD-Generalsekretär Hubertus Heil und wird von SPD-Partei-Chef Sigmar Gabriel „ein Ausdnahmetalent in der deutschen Politik“ genannt.  Auch inhaltlich steht Bartsch für eine Anbieberung an die Positionen der bürgerlichen Parteien.  So will er den von der „Linken“ im Parteiprogramm geforderten Truppenabzug aus Afgahnistan keineswegs „schon übermorgen“.
Ein anderer Altbekannter, der mit einer Kandidatur zum Bundesvorsitzenden liebäugelt, ist  Oskar Lafontaine. Lange hatte dieser gezögert, sich überhaupt zu einer möglichen Kandidatur zu äußern. Nun wäre er eventuell bereit. Allerdings will  er keine Kampfkandidatur gegen  Dietmar Bartsch, sondern nur antreten, wenn Bartsch seinerseits auf eine Kandidatur verzichtete und unter ihm Vize-Vorsitzender der Partei würde. Lafontaine erhält primär Unterstützung für eine Kandidatur im „linken“ Flügel der Partei (u.a. Kommunistische Plattform, Antikapitalistische Linke) und bei westdeutschen Landesverbänden. Lafontaine  ist sicherlich kein Linksradikaler. In der Kriegsfrage zum Beispiel ist er von der aufweichenden Position Bartschs gar nicht so weit entfernt, wenn er die Schaffung eines sogenannten „Willy-Brandt-Friedenscorps“ fordert. Auch  stand er einer Fusion von  WSAG und PDS vor der Bundestagswahl 2005 noch etwas skeptisch gegenüber, da der Name der PDS das Wort „Sozialismus“ enthielt, von dem er sich damals distanzieren wollte. Lafontaine ist zudem ein Vertreter des sogenannte Keynesianismus – ein Wirtschaftsmodell, das darauf abzielt, Krisen im Kapitalismus mit staatlicher Investitions-, Fiskal- und Geldpolitik entgegenzuwirken. Neben der Tatsache, dass Staaten schon immer versuchten, mit diversen Maßnahmen Krisen abzumildern und der gleichzeitigen Utopie, dass dies im Kapitalismus ginge, sieht eine radikale Gegenerschaft zum kapitalistischen System jedenfalls anders aus.
Populärste Unterstützerin Lafontaines  ist übrigens seine Lebensgefährtin Sarah Wagenknecht, die wohl aus taktischen Gründen  auf eine eigene Kandidatur verzichtet. Theoretisch wären mit ihr und Bartsch als Doppelspitze alle Quoten der Partei, was die Besetzung des Vorstandes angeht, erfüllt.  Neben den offiziellen Vorgaben nach einer Frau/Mann- sowie Ost/West-Spitze spielt auch die informelle, aber bedeutende Flügelzugehörigkeit eine Rolle, wonach Wagenknecht den „linken“ Flügel repräsentieren würde. Im Allgemeinen macht die Quotierung den „Linken“ sorgen, denn neben Wagenknecht, die sich viele Mitglieder als Vorsitzende vorsellen könnten, gibt es noch kaum potentielle Kandidatinnen für das höchste Parteiamt. Angekündigt hat sich bisher nur die Bundestagsabegeordnete Sabine Zimmermann. Andere Namen, die im Raum stehen für den weiblichen Part, sind die bisherige Vizevorsitzende Katja Kipping, Bundesgeschäftsführerin Caren Lay oder auch die Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann.

Das Hauptproblem „der  Linken“ dürfte aber nicht die Quotierung sein. Diese macht das Prozedere zur Wahl des Vorsitzendenpaars zwar komplizierter, doch das eigentliche Problem liegt in der inhaltlichen Ausrichtung der Partei. Eine verstärkte Regierungsbeteiligung wie Dietmar Bartsch und ein großteil der ostdeutschen Funktionäre sie befürworten, hat der Partei in der Vergangenheit jedenfalls nur (Vertrauens) Verluste eingebracht. In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel erreichte die damalige PDS noch 1998 264.000 der Zweitstimmen. Danach beteiligte sie sich in zwei Legislaturperioden an „Rot-Roten“ Landesregierungen und bekamm 2006 letztendlich nur noch 137.000 Zweitstimmen. Ähnlich erging es der PDS/Linken in Berlin. Hier erhielt sie bei der Abgeordnetenhauswahl 2001 noch 366.000 Zweitstimmen, um nach zehn Jahren Koalition mit der SPD auf 171.00 bei der Wahl 2011 abzusacken. Diese Verluste erklären sich vor allem dadurch, dass die Linke/PDS, sobald sie sich an einer Regierung beteiligt, sich genauso den Interessen der Kapitalisten anpassen muss, wie jede andere Regierungspartei auch. Und dies geht so gut wie immer gegen die Interessen ihres Wählerklientels, die Arbeiter, Angestellten und Arbeitslosen. In Berlin trug die Linke zum Beispiel die massenhafte Privatisierung von Sozialwohnungen mit, was sprudelnde Gewinne für Immobilienspekulanten brachte, jedoch eine Verschärfung der Wohnraumproblematik in Berlin für die Bevölkerung.  Ein weiteres Beispiel "linker" Kollaboration ist Brandenburgs Wirtschaftsminister Christoffers (Linke), der ein ausgesprochener Verfächter der Emissionsschleuder Braunkohleverbrennung ist und zudem für den Einsatz der gefährlichen unterirdischen CO² Speicherung in Brandenburg eintritt.
Zurecht kritisiert  also z.B. Sahra Wagenknecht, dass ein Abzielen auf Regierungsbeteiligungen im Endeffekt die Linke überflüssig machen würde. Eine weitere bürgerliche Blockpartei, wie sie Bartsch  und Co vorschwebt, würde höchstwahrscheinlich bald ein jähes Ende finden, da allgemein ein Trend des sich Abwendens von SPD/CDU/CSU/Grüne/FDP  zu beobachten ist. Gaben bei den Bundestagswahlen 2002 noch 44.620.000 Menschen einer dieser fünf Parteien ihre Stimme, waren es 2005 nur noch 41.312.000 und 2009 gerade einmal noch 36.560.000. Ein Blick auf die Mitgliederstatistiken beweist ähnliches. Während die SPD 1990 noch 943.000 Mitglieder hatte, hat sie sich zum Jahr 2011 nahezu auf 499.000 halbiert.  Die CDU erreichte 1993 ihren Nachwendezenit mit 685.000 Mitgliedern, steht im Jahr 2011 allerdings auch nur noch bei 500.000. Wenn man die Mitgliederzahlen aller fünf eben genannten Parteien addiert, kommt man für das Jahr 1995 auf einen Wert von 1.707 Millionen Mitgliedern. Dieser sank dann zum Jahr 2011 auf 1.259 Millionen.  Gerade weil die „Linke“ bislang einen relativ scharfen Oppositionskurs zu diesen Parteien eingeschlagen hat, konnte sie zumindest bei Wahlergebnissen relativ gut abschneiden. Die Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn von 10 Euro, dem Abzug aller deutschen Truppen aus dem Ausland, einer Auflösung der NATO, einer Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich und das Verbot aller  faschistischen Organisationen sind Forderungen, die die „Linke“ von den anderen im Parlament vertretenen Parteien abheben. Gerade dieser Umstand  macht sie auch attraktiv für diejenigen, die realisieren, dass CDU/CSU/SPD/Grüne/FDP eben die Interessen der Kapitalisten auf Kosten der breiten Massen vertreten.
Jedoch liegt das Dilemma der „Linken“ nicht nur darin, dass der rechte Flügel die Partei anpassen möchte. Auch von Vertretern der sogenannten „Fundis“, wie Partei"linke" in bürgerlicher Presse abschätzig genannt werden, kommt viel Illusionäres, was an der kapitalistschen Realität vorbei geht. In ihrem Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ lobt Sarah Wagenknecht ausdrücklich, die „Soziale Marktwirtschaft“ unter Ludwig Erhard. Eine Einführung eines sozialen Kapitalismus ist allerdings unter den Bedingungen des internationalen Konkurrenzkampfes der Monopole eine Illusion. Ebenso wie die „Kontrolle der Finanzmärkte“ oder die „Verstaatlichung von Banken“. Zugeständnisse an die Arbeiterklasse und die Unterdrückten werden die Kapitalisten nur machen, wenn sie durch die breiten Massen dazu gezwungen werden. Ein parlamentarischer Beschluss, wie von einigen „Linken“ erträumt, wird sie wohl kaum dazu veranlassen. Insofern würde auch ein „Linkskurs“ der Linkspartei die Menschen enttäuschen, wenn sie sich vornehmlich auf parlamentarische Arbeit konzentriert bzw. auf eine Kapitalismusreform. 
Auch wenn im Kampf zwischen Anbiederung an die bürgerlichen Parteien und parlamentarischer Fundamentalopposition sicherlich letzteres zu bevorzugen ist, ist „die Linke“ auch mit grundlegenden Problemen konfrontiert, die den Typus ihrer Partei charakterisieren. So ist nicht nur das inhaltliche Auseinanderklaffen zwischen den Flügeln ein Problem, sondern auch die bloße Existenz von diesen. Eine Partei, die nicht geschlossen agiert und auftritt, dezimiert letztendlich ihre Schlagkraft. Zudem büßt sie an Überzeugungsfähigkeit nach Außen ein, da nicht immer klar ist, wofür die Partei inhaltlich eigentlich steht. Desweiteren führt die Flügel-oder Fraktionenbildung fast automatisch auch zu einer Seilschaftsbildung. Dies ist auch bei anderen Parteien zu beobachten. Als Beispiele seien die Seeheimer bei der SPD, die „Realos“ und „Fundis“ bei den Grünen oder der Andenpakt in der CDU genannt.  Der Effekt ist immer der gleiche. Mitglieder eines Flügel unterstützen sich gegenseitig bei der Vergabe von Posten und versuchen, andere auszustechen. Hierbei steht das karrieristische Streben natürlich im Vordergrund. Eine Legitimation des Polikers durch wirklich demokratische Wahlen, eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Parteibasis und den Wählern sowie der selbstlose Einsatz für die Interessen der Wähler werden durch Klüngel und Seilschaften nicht nur erschwert sondern nahezu unmöglich gemacht. Trotzdem führen Auseinandersetzungen zwischen innerparteilichen Strömungen, wie jetzt bei den „Linken“ oft nicht zur Spaltung. Beiden Strömungen ist bewusst, dass der Einzug in Parlamente und somit, die Aussicht auf Posten, staatliche Finanzierung und Medienpräsenz nur erreicht werden kann, wenn man gemeinsame Sache macht. Ansonsten würden beide mögliche Nachfolgeparteien riskieren, marginalisiert zu werden.
Ein weiteres Problem der „Linken“ ist ihre mangelnde ideologisch-politische Klarheit, die ihr in vielen Situationen zum Verhängnis wird. Ein Beispiel ist die Diskussion um die Bezüge des amtierenden Parteichefs Klaus Ernst. Dieser lässt sich neben den Vergütungen,  die er als Bundestagsabgeordneter erhält, nämlich auch noch als Parteichef kräftig bezahlen. Dies brachte ihm dann den Spitznamen „Luxuslinker“ ein. Hätte die Partei klare Statuten, wie viel ein Funktionär erhalten darf, dann wäre diese peinliche Debatte niemals aufgekommen. Außerdem müsste von vornherein klar  sein, dass für einen linken Politiker ein extravaganter Lebensstil nicht in Frage kommt, wenn man den Bezug zur Basis nicht verlieren will.
Ebenso war die Kommunismusdebatte nach Gesine Lötzschs JungeWelt Interview vom 03.01. 2011 ein Beispiel für die Konzeptlosigkeit der Partei. Hätte Gesine Lötzsch die angesprochenen Wege zum Kommunismus ernst gemeint, dann hätte auch die Partei, sowie sie selbst bei der daraug folgenden antikommunistischen Hetztirade zum Gesagten geschlossen stehen müssen. Stattdessen gab es ein Herumlavieren von verschiedenen Funktionsträgern, mit dem Ziel sich irgendwie schon vom Schreckgespenst Kommunismus zu distanzieren, aber dann doch nicht so ganz.  Schließlich gewinnt eine gesellschaftliche Alternative in Krisenzeiten des Kapitalismus bedeutend an Aufwind und viele Wähler der „Linken“ würden sich selbst wohl auch als Kommunisten bezeichnen.
Das hin und her Driften zwischen Anpassung an die Linie der bürgerlichen Parteien und einer radikaleren, oppositionelleren Haltung wird auch bei der „Antisemitismusdebatte“  deutlich. Nachdem muslimische Fundamentalisten auf der  Internetpräsenz der Kreisverbandes Duisburg, ohne dessen Wissen einen Link zu einer antisemitichen Seite postierten, wurde ungeachtet der Umstände sofort eine Verleumdung- und Hetzkampagne gegen „die Linke“ inszeniert. Trotz der offensichtlichen Absurdität der Vorwürfe, es gäbe antisemitische Tendenzen in der Partei, gelang es nicht, den Vorwürfen offensiv zu widersprechen. Aus Angst von bürgerlichen Medien und Parteien noch weiter geschmäht zu werden, ließ Fraktionschef Gysi lieber die Bundestagsabgeordneten eine Erklärung unterschreiben, die es unter anderem Verbot an der Gaza-Hilfsflotte teilzunehmen. Nebst der Tatsache, dass der Hilfkonvoi für Gaza kein Akt des Antisemitismus ist, hätte die Verleumdungskampagne eher dazu genutzt werden können, den anderen Parteien ihre Verstrickungen zu faschistischen und rassistischen Bewegungen vor Augen zu führen.
Das Grundproblem "der Linken" taucht in all diesen Beispielen wieder auf. Es ist der Widerspruch zwischen linker Rhethorik und Außendarstellung auf der einen Seiten und dem sich Einfügen in die bürgerlich-kapitalistischen Gegebenheiten auf der anderen Seite. Die Auseinandersetzung zwischen dem „linken“ und dem „rechten“ Parteiflügel bildet dabei keineswegs die zwei Seiten des Widerspruch ab. Der Flügelkampf ist mehr Symptom des Widerspruchs. Auch die Vertreter des „linken“ Flügels wollen es sich in Parlamentsesseln bequem machen und hoffen auf eine parlamentarische Reformierung des Kapitalismus. Einzig in der Art und Weise wie die Reform durchgeführt werden soll, unterscheiden sich die Flügel. Schlussendlich wird „die Linke“ ihr Grundproblem nicht lösen können und es wird immer wieder in der einen oder anderen Form auftauchen. Eine linke Partei, die den Kapitalismus nicht  durch Revolution abschaffen will, muss entweder anfangen, genaus dies doch zu wollen oder aufhören, eine linke Partei sein zu wollen. Ansonsten macht sie sich auf die Dauer lächerlich und unglaubwürdig und wie alle anderen bürgerlichen Parteien auch– überflüssig.

Donnerstag, 10. Mai 2012

Es wird demokratisch gespart in Europa


Nachdem am Sonntag in Griechenland und Frankreich wichtige Wahlen stattfanden, machen sich in Deutschland bürgerliche Politker und ihnen nahe stehende Medien Sorgen, dass der eingeschlagene „Sparkurs“ nicht wie gewollt durchgesetzt werden könne.  Denn die Wahlergebnisse in beiden Ländern weisen einen deutlichen Linkstrend auf.

In Griechenland schafften die beiden bürgerlichen Parteien zusammen (PASOK und Nea Dimokratia), nicht einmal vierzig Prozent der Wähler hinter sich zu bringen. Stattdessen wurde das Linksbündnis Syriza zweitstärkste Kraft. Auch andere linke Parteien wie die KKE und DIMAR konnten in der Wählergunst zulegen.  Das für die Troika aus IWF, EZB und EU beunruhigenste an diesem Wahlergebnis ist aber nicht einfach nur  der Schwenk nach links sondern, dass sich mit diesem Wahlergebiniss vorraussichtlich keine Regierung bilden lässt, die die Krisenlasten effektiv auf die griechische Bevölkerung abwälzen kann.
Etwas anders sieht die Situation in Frankreich aus. Zwar wurde hier der „Sozialist“  Francois Holland  per Stichwahl in das Präsidentenamt gewählt, doch dass er sich dem „Sparzwang“ ernsthaft widersetzten wird, bleibt äußerst fraglich.  Bevor Hollande den Präsidentschaftswahlkampf begann, galt er als sogenannter „Pragmatiker“, also jemand, der sich schlussendlich den Wünschen des Monopolkapitals unterordnet. Seine linke Rhethorik im Wahlkampf dürfte wohl mehr dazu gedient haben, die Menschen in Frankreich für sich zu begeistern. Denn Hollandes vages Versprechen, den europäischen Fiskalpakt neu zu verhandeln, beinhaltet weder seine eingentlich notwendige Abschaffung, noch konkrete Maßnahmen, die den Massen zu gute kommen.  Nichtsdestotrotz ist die Wahl Hollandes wie auch das gute Ergebnis des Linksfrontkandidaten Jean-Luc Mélenchon ein Zeichen dafür, dass die Menschen die Politik der Abwälzung der Krisenlasten auf ihrem  Rücken satt haben.

Dass dieser Trend nicht einfach nur von „unzuverlässigen Griechen“ und  „rebellierenden Franzosen“  (Spiegel-Online) widergegeben wird, zeigte sich indes bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Auch im Mutterland der „Sparer und arbeitssamen Bienen“ Deutschland werden diejenigen, die eine offen massenfeindliche Politik machen, in Wahlergebnissen angestraft. So verloren die bisherigen Regierungsparteien CDU und FDP zusammen über 227.000 Stimmen gegenüber 2009. Der Grund dürfte vor allem darin liegen, dass beide eine aggressiven „Sparkurs“ vorantreiben, worin Lehrerstellen abgebaut werden und vom Land finanzierte Diensleistungen gestrichen werden sollen. Auch die vermeintlichen Oppositionsparteinen haben absolut an Stimmen eingebüßt: SPD (-3800), Grüne (-24.000) und SSW (-8.600). Bezeichnend ist an diesem Wahlergebnis vor allem, dass das Vertrauen der Menschen in den bürgerlichen Parlamentarismus allgemein zu schwinden scheint und nicht mehr nur die eine oder andere bürgerliche Partei trifft. So stieg die Zahl der Nichtwähler in Schleswig-Holstein um 289.000 auf fast vierzig Prozent an.

In der bürgerlichen Öffentlichkeit werden nun zu hauf Reaktionen zum Besten gegeben, die Bedenken äußern, ob der angeblich alternativlose Sparkurs fortgesetzt werde könne. In dieser Diskussion, über die Wahlen und deren Auswirkungen auf die „Sparkurse“, sei es nun der europäische Fiskalpakt oder die verfassungsmäßige „Schuldenbremse“ in Bund und Ländern, kommen die massiv verbreiteten Lebenslügen des EU-Kapitalismus fast schon ungeschminkt zum hervor.

Dass es beim Fiskalpakt oder der Schuldenbremse weder ums eigentliche Sparen noch um haushaltspolitsche Nachhaltigkeit geht, wird bei genauerer Betrachtung der Umstände klar. Zum Beispiel müssen Unterzeichnerstaaten, die ein zu großes Haushaltsdefizit aufweisen, sich beim Europäischen Rat, sowie der EU-Kommission verantworten und Maßnahmen zur Reduzierung des Defizits vorlegen. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird dann von den eben genannten Institutionen überwacht. Will ein Staat also mehr Geld für Sozialleistungen ausgeben, haben die Institutionen der Europäischen Union die Möglichkeit, dies zu verhindern, sobald der Haushalt des betreffenden Staates defizitär wird. Um Sozialleistungen in ausreichendem Maße oder auch nur im bisherigen zu finanzieren, ist ein ausgeglichener Haushalt unter derzeitigen Bedingungen eine Utopie. Insofern bedeutet der Fiskalpakt nichts weiter als Kürzungen von öffentlichen Leistungen. Im Endeffekt ist er eine Abwälzung der Krisenlasten auf die breiten Massen. Denn die Haushaltsplanung der EU Staaten sieht keineswegs vor, an den Stellen zu sparen, an denen es im Interesse ihrer Bevölkerungen wäre. So wird trotz aller Sparrhethorik nicht daran gedacht, die Etats für Rüstung und Kriegseinsätzen radikal zu kürzen. Auch die sich anhäufenden Zinslasten an Monopolbanken sollen auf jeden Fall bedient werden. Dazu werden immer neue Maßnahmen ersonnen, wie der Europäische Stabilitätsmechanismus, für den die Staaten enorme Summen bereit stellen müssen. Auch an Subventionen für Großkonzerne und Finanzspritzen für kriselnde Unternehmen soll nicht gespart werden.
Zudem ist die Rechtfertigung für die verschiedenen Sparmaßnahmen an Heuchlerei kaum zu überbieten. Angeblich hätten die Menschen vorher auf zu großem Fuß gelebt und müssten nun den Gürtel enger schnallen. Jedoch entspringt die Krise der europäischen Staatshaushalte nicht etwa dem dekadenten Savoir-vivre der Europäer garniert mit übermäßigen Sozialleistungen. Das Problem liegt vielmehr darin, dass Regierungen, um Wirtschaftskrisen abzuschwächen oder um die Position eigener nationaler Monopole auf dem Weltmartk zu stärken, Milliarden an Subventionen in die Konzerne haben fließen lassen. Um diese Politik des monopolkapitalistischen Wünsch-dir-was auch weiter betreiben zu können, muss in Zukunft das gesellschaftliche Einkommen noch stärker als bisher zu Gunsten der Bourgeoisie umverteilt werden. Zu genau diesem Zweck wurden Maßnahmen wie EFSF, ESM, Fiskalpakt etc. ersonnen.

Allerdings wird auch eine zweite Lebenslüge in der aktuellen politischen Situation immer mehr enttarnt. Nämlich die, dass es sich gegenwärtig um demokratische Verhältnisse handele in denen die Bevölkerung den politischen Kurs vorgibt. Wenn die Wahlergebnisse allerdings nicht eine willfährige Parlamentsmehrheit produzieren, ist das die zuhauf ausgesprochene Besorgnis allerdings groß, ob der vereinbarte „Sparkurs“ auch eingehalten werde. Dass die Menschen allerdings nicht darüber entscheiden wollen, wer sie ausplündert sondern darüber ob sie überhaupt ausgeplündert werden wollen oder eher nicht, das geht in die Köpfe der europäischen „Demokraten“ nur schwer hinein. Im Allegemeinen stößt die bürgerliche Demokratie sehr schnell an ihre Grenzen, wenn es darum geht, dass die Interessen der Monopolkapitalisten ernsthaft in Gefahr sind. Als der verhasste Reaktionäre Silvio Berlusconi als italienischer Ministerpräsident zurücktreten musste, wurde nicht etwa ein neues Parlament gewählt, sondern einfach der Technokrat Mario Monti installiert. Noch besser war es mit dem griechischen Regierungschef Giorgos Papandreou, der ein Referendum über Griechenlands Verbleib in der Eurozone durchführen wollte und prompt dafür abgesägt wurde.

Generell bahnt sich an, dass das Krisenmanagement für die europäischen Monopolkapitalisten und ihre Regierungen zunehmend schwieriger wird, da ihre Täuschungsmanöver von den breiten Massen immer mehr durchschaut werden. Das wird eben durch Wahlergebnisse, jedoch vielmehr durch zunehmende Streiks und Proteste deutlich. Allerdings muss man sich auch bewusst sein, dass wenn die demokratische Fassade bröckelt, die Monopolkapitalisten nicht einfach dem Willen der Massen folgen werden. Vielmehr werden sie zu offenerer Unterdrückung übergehen, um ihre Interessen zu verteidigen. Insofern wird es nicht nur auf Grund der Klimaerwärmung ein heißer Sommer in Europa.

Dienstag, 17. April 2012

Breivik's Propaganda

Seit gestern läuft in Oslo der Prozess gegen den faschistischen Terroristen Anders Behring Breivik. Dieser hatte am 22. Juli 2011 bei einem Bombenanschlag, sowie mit Schusswaffen auf einem Zeltlager der norgwegischen „Arbeiterpartei“ 77 Menschen getötet und mehre schwer verletzt. Eigentlich ist die Tatsache, dass Breivik diese Taten unbehelligt begehen konnte, schon skandalös genug. Doch die Verfahrensweise mit ihm, die von norwegischer staatlicher Seite an den Tag gelegt wird, setzt dem hochgelobten RECHTS-Staat die Krone auf.
Die Verhandlung gegen Breivik ist öffentlich, was auch zu begrüßen ist, da so eine kritische Begleitung des Prozesses durch die Allgemeinheit besser gewährleistet wird. Jedoch ist in diesem Zusammenhang nicht zu verstehen, wie das Gericht es zulassen kann, dass Breivik mit geballter Faust, vor den Augen Angehörigen, provaktiv herumgestikuliert. Heute nun durfte sich Breivik erklären, was einem Angeklagten auch zustehen muss, egal welche Verbrechen ihm vorgeworfen werden. Jedoch wurde Breiviks „Erklärung“ nichts weiter als eine zynische Verhöhnung der Opfer und eine Verbreitung seiner reaktionären Ideologie. Es ist ein Unding, wie so eine faschistische Propaganda auch noch staatlich gefördert, über Medienberichte um die Welt gehen kann. Ursprünglich waren für Breiviks Statement dreißig Minuten angedacht gewesen. Großzügig ließ ihn das Gericht aber seinen „Vortrag“ auf 75 Minuten ausdehnen. Dass er diesen hauptsächlich mit Aussagen wie der folgenden füllte: "Wenn wir die Einwanderungspolitik der Arbeiterpartei stoppen können, wenn wir 77 Menschen exekutieren, dann wird das zu einer besseren Gesellschaft führen und Bürgerkrieg in Norwegen verhindern.", ist im demokratischen Norwegen kein Grund, ihm das Wort zu entziehen.
Die Begründung für Breiviks lange Agitationszeit lieferte Staatsanwalt Holden dann auch gleich mit. Er glaube laut Spiegel-Online, dass Breivik sich durch seine Aussagen selbst disqualifiziere. Daraufhin stellt sich natürlich die Frage, ob er das durch seine Taten nicht ohnehin schon getan hat.
Allerdings ist es die Strategie der Staatsanwaltschaft, Breivik eine psychische Störung nachzuweisen; mit der Begründung dass dieser dann den Rest seines Lebens in einer psychatrischen Anstalt verbringen müsste. Auch wenn es absolut zu begrüßen ist, wenn jemand wie Breivik nie wieder auf die Menschheit losgelassen wird, scheint der Kurs der Staatsanwaltschaft auf eine Relativierung der Straftaten angelegt zu sein. Ein zweites psychatrisches Gutachten vom 10. April 2012 bescheinigte Breivik nämlich volle Zurechnungsfähigkeit, nachdem das erste, welches ihn als geistesgestört darstellte, auf große Empörung in der Öffentlichkeit stieß. Breivik einfach als Geistesgestörten abzutun, würde in keinster Weise der politischen Bedeutung seiner Morde gerecht werden. Hierbei waren nämlich rassitische, sowie faschistische Beweggründe ausschlaggebend. Und diese müssen auch als solche benannt werden, um die reale Gefahr von  reaktionären politischen Bewegungen zu verdeutlichen. Die Euphemisierungsstrategie, die die Staatsanwaltschaft hingegen fährt, wird an einem weiteren Beispielen deutlich. Breivik behauptet konsequent, Mitglied einer Gruppierung zu sein, die sich „Tempelritter“ nennt. Die Staatsanwaltschaft hingegen will davon nichts wissen und beharrt stoisch auf der Einzeltätertheorie. Bezeichnenderweise würde eine Mitgliedschaft Breiviks in einer terroristischen Gruppe erstens den Verdacht auf weitere Personen lenken und zweitens unterstreichen, dass faschistische Gruppierungen deutlich bekämpft und verfolgt werden müssen.
Die Tatsache, dass Breivik extem viele Morde verübt hat und Ansichten vertritt, die den meisten Menschen zuwider sind, macht ihn längst nicht zum psychisch Kranken. Etliche Hitler-Faschisten hätten sich dann ebenfalls mit angeblicher Geisteskrankeit ihrer Verantwortung entziehen können. Vielmehr ist von einer vollen Schuldfähigkeit Breiviks auszugehen, wenn man bedenkt, welche anspruchsvolle Planung, die von ihm begangenen Attentate erforderten. Jedoch sollte gerade die Kompliziertheit der Anschläge die staatlichen Ermittler veranlassen, nach weiteren Mittätern zu fahnden und auch die eigene Schuld am Nichtverhindern der Attentate zu untersuchen. Jedenfalls schien von offizieller Seite keine Verwunderung darüber zu bestehen, dass Breivik erst seine Taten in aller Ruhe begehen konnte, nach deren Beendigung aber schnell gefasst wurde und dann sofort als Einzeltäter feststand.

Ob Breivik nun ein Einzeltäter war oder nicht und wieviel die norwegischen Geheimdienste von seinen Plänen wussten, ist als Außenstehender nicht mit Sicherheit zu sagen. Erstaunlicherweise aber weist Breiviks Prozess interessante Parallelen zu dem eines seiner Gesinnungsfreunde auf. 1924 fand in München auch in einem „demokratischen Staat“ der Prozess gegen einen reaktionären Putschisten statt, dessen damalige Aktion den Tot mehrerer unschuldiger Menschen forderte. Der Angeklagte durfte trotzdem das Gericht in eine politische Bühne für seine Propaganda verwandeln und bekam letztendlich eine milde Strafe, da das Gericht in ihm keine besondere Bedrohung erkennen konnte.

Alte Suppe in neuen Dosen - Die Piraten

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in den Onlineportalen der deutschen „Leitmedien“ mindestens ein neuer Artikel über sie veröffentlicht wird. Die Piraten gelten als die neuen Durchstarter im bundesrepublikanischen Politikbetrieb.
Und ihre Anziehungskraft kommt nicht von ungefähr. Die zunehmende staatliche Überwachung stößt insbesondere jungen Menschen übel auf. Die Piraten haben in dieser Hinsicht klar Stellung bezogen und lehnen Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung öffentlicher Plätze, Onlinedurchsungen privater PCs und Einschränkungen von Versammlungsfreiheit ab. Zudem setzen sich die Piraten für freieren Zugang zu geistigen Waren wie wissenschaftlichen Arbeiten, Musikdateien und Softwareprogrammen ein. In den Mainstreammedien werden diese Forderungen allerdings kaum erwähnt. Hingegen versucht man die Zustimmung zu den Piraten auf ein neues „Netzgefühl“ zu reduzieren, was die „Generation Internet“ von den etablierten Parteien entfremdet hätte. Fakt ist jedoch, dass es weniger um Lifestylediskrepanzen geht, als um eine zunehmende Kritik der Massen an Bespitzelung, Repression und Kommodifizierung des öffentlichen Raums. Außerdem hat sich die Piratenpartei Transparenz groß auf die Fahnen geschrieben, was ebenfalls auf viele Menschen mit demokratischem Bewusstsein attraktiv wirken dürfte. Schließlich gerät das scheindemoratische Täuschungssystem der BRD immer mehr in die Krise, da es immer offensichtlicher wird, dass die Bevölkerung in entscheidenden Fragen nichts zu sagen hat. Sei es nun die überwältigende Ablehnung des Afghanistankrieges, die Forderung nach einem Verbot der faschistischen NPD oder der Massenwiderstand gegen die Atomenergie; der Mehrheitswille wird konsequent ignoriert und sogar offen bekämpft. Von dieser Situation können die Piraten profitieren, indem sie die „verkrusteten“ Strukturen der etablierten Parteien kritisieren und für mehr demokratische Mitbestimmung werben.
Allerdings sind die scheinbare Unangepasstheit der Piraten, wie auch ihre radikal verändernd wirkenden Forderungen nicht so abseits des Mainstream, wie gerne vermittelt wird. Nicht umsonst ist die Berichterstattung über die selbst ernannten Freibeuter größtenteils positiv, obwohl sie eigentlich durch ihre bloße Existenz das parlamentarische System eher destabilisieren. Denn wenn angenommen wird, dass die Piraten künftig in allen Parlamenten mit ca. 10% der Stimmen vertreten sein werden, dann wird die Regierungsbildung im allgemeinen schwieriger. Gerade in einer sich neu abzeichnenden Wirtschaftskrise sind knappe Parlamentsmehrheiten wie z.B. die der Kraft/Löhrmann Regierung in NRW ungünstig, um Krisenlasten auf die Bevölkerung abzuwälzen. Da stören zu viele Kleinparteien eigentlich eher.

Jedoch hat der zunehmende Masseneinfluss der Piraten auch einen entscheidenden Vorteil; er lenkt den Protest gegen Missstände in geordnete Bahnen. Wer sich auf Parlamentswahlen und Debatten im Plenarsaal konzentriert, hat kein wirksames Mittel, um den Interessen der Monopolkapitalisten ernsthaft etwas entgegen zu setzen. Ein Beispiel dafür ist, dass eine Rot-Grüne Bundesregierung trotz aller Beteuerungen nicht in der Lage war, ein einziges Atomkraftwerk abzuschalten. Hingegen haben massenhafte Blockaden und Demonstrationen mittlerweile dazu geführt haben, dass acht Atomkraftwerke außer Betrieb genommen werden mussten. Genausowenig wie man auf ein Ende der Atomenergie durch grüne Regierungsbeteiligung hoffen konnte, werden die Piraten in der Lage sein, über parlamentarische Wege den Abbau demokratischer Rechte zu verhindern oder die staatliche Bespitzelung rückgängig zu machen.
Das Emporkommen der Piratenpartei steht vor allem für die Illusion, dass innerhalb des bestehenden System etwas grundlegend geändert werden könne. Die Piraten sind also objektiv gesehen systemerhaltend, denn ihr Anspruch zur Veränderung bleibt auf Reformismus beschränkt. Das geben sie letztendlich auch offen zu. Bei der Befragung zum Wahlomaten für die Bundestagswahl 2009 war das offizielle Statement zur Frage, ob die Demokratie wie sie in der BRD existiere, die beste Staatsordnung sei: „Wir bekennen uns uneingeschränkt zur freiheitlich demokratischen Grundordnung.“ Dass in Wirklichkeit die bestehende Ordnung weder etwas mit Demokratie noch mit Freiheit für die Masse der Menschen zu tun hat, das prangern die Piraten nicht an. Sie entblöden sich sogar, die immer wieder wiederholten Lebenslügen von Freiheit und Demokratie im Kapitalismus zu verbreiten.

Die Verbundenheit der Piraten mit dem Kapitalismus zeigt sich auch an ihrer Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Was auf den ersten Blick als fortschrittlicher und im Interesse der Werktätigen sinnvoller Standpunkt daher kommt, ist in Wirklichkeit ein Täuschungsmanöver zur Versöhnung der Massen mit dem Kapitalismus. Beim anfänglichen Betrachten scheint ein bedingungsloses Grundeinkommen, einen von der Not zu befreien, Jobs zu schlechten Arbeitsbedingungen oder Niedriglöhnen annehmen zu müssen. Schließlich könnte man ja jederzeit von seinem Grundeinkommen leben, sodass die Kapitalisten Arbeitsplätze attraktiv gestalten müssten, damit überhaupt noch jemand eine Arbeitstelle annimmt. Im Falle einer Einführung würde ein bedingungsloses Grundeinkommen den Kapitalisten jedoch keinesfalls ein Dorn im Auge sein. Im Gegenteil, viele könnten sich damit wohl sehr gut anfreunden. Denn zum einen müssen die Mittel für dieses Grundeinkommen aus Steuergeldern finanziert werden, welche wiederum Abzüge vom Lohn der Werktätigen sind. Die Kapitalisten würden also keinen einzigen Cent zu diesem Grundeinkommen beisteuern. Es ist allerdings nicht einzusehen, warum die ArbeiterInnen und Angestellten mit ihren Beiträgen und Abgaben eine Armut abwenden müssen, die durch die Niedriglohn- und Rationalisierungspolitik der Kapitalisten hervorgerufen wird. Um Armut im Kapitalismus zu bekämpfen, sind höhere Löhne, niedrigere Wochenarbeitsstunden und verbesserter Kündigungsschutz bessere Maßnahmen. Denn sie fallen den Profiten der Bourgeoisie zur Last und verbessern die Situation der Ausgebeuteten.
Letztendlich ist ein bedingungsloses Grundeinkommen nur ein Modell, dass es in abgewandelter Form schon lange gibt. Derzeit wird es als „Kombilohn“ bezeichntet und kommt zur Anwendung wenn voll berufstätige Menschen von ihrem Lohn nicht leben können und somit mit Hartz IV „aufstocken“ müssen, um über dem Existenzminimum zu sein. Die Kapitalisten könnten sich also durch die Existenz eines Grundeinkommens einen Teil der Lohnkosten sparen.
Es bleibt außerdem fragwürding ob ein bedingungsloses Grundeinkommen überhaupt zum Leben reichen würde. Neben der Gefahr, dass die reale Kaufkraft des Einkommens durch Inflation eklatant gesenkt werden könnte, gibt es eine Reihe indirekter Maßnahmen, die ein Überleben mit Grundeinkommen schwierig gestalten können. Sei es nun eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Kürzung von Zuschüssen für Sozialleistungen oder die Erhöhung von Beiträgen und Abgaben jeglicher Art; das Grundeinkommen könnte schnell eine Kostenumverteilung anstatt  einer Existenzsicherung werden.

Auch wenn den Piraten von der Konkurrenz der anderen bürgerlichen Parteinen oft vorgeworfen wird, eine „Ein-Thema-Partei“ zu sein oder zu entscheidenden Fragen wie dem „Eurorettungsschirm“ oder dem Afghanistankrieg kein Konzept zu haben, so haben sie mit ihren bisherigen Programmpunkten eindeutig bewiesen, dass sie sich nahtlos in die gleichgeschaltete parlamentarische Parteienlandschaft der BRD einfügen werden. Ob die Mitglieder und Anhänger der Piraten nun aus Naivität oder (Selbst-) Täuschung einen Systemwandel innerhalb des System anstreben, ist schwer zu sagen. In jedem Fall ist der Aufschwung der Piraten mehr der Ausdruck einer zunehmenden Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen als das Aufkommen einer neuen politschen Kraft mit Veränderungspotenzial. 

Sonntag, 8. April 2012

Koljah Kolerika: der Vorkämpfer gegen Antisemitismus

„Sorry, aber nichts ist blöder als politischer Rap und seine Hörer“ lautet eine Zeile in Koljah Kolerikas Track „Politischer Rap“ von seinem Album „Publikumsbeschimpfung“. Den Grund warum politischer Rap denn so blöd sei, liefert Koljah auch gleich mit, indem er rapt: „Wen ein deutscher Rapper sagt, sein Rap sei politisch, heißt das ungefähr so viel wie NPD-kompatibel“.
In zweierlei Hinsicht ist Koljahs Aussage absurd. Zum einen ist es ja selbst eine politische Aussage, jedem „politischen Rap“ eine Nähe zur Ideologie der faschistischen NPD zu unterstellen. In der Konsequenz könnte Koljah sich dann selbst beim nächsten NPD Aufmarsch einreihen, denn sein Track bietet weitere Aussagen, die durchaus als politisch einzustufen sind. „Ey jo die meisten Judenhasser sind Islamversteher und bald fusioniert die Linkspartei mit Al-Qaida“. Auch andere Stücke von Koljah weisen eine ganze Reihe politscher Aussagen auf. „Du hörst viel lieber Max Herre und willst ‚ne Deutschquote, weil die deutsche Kultur durch dieses Zeug bedroht ist.“ („Du bist dagegen“ Rapfolk feat. Koljah) oder „In deinen Videos sehe ich nur verdammte Machos. Du hast bestimmt einen Antikriegstrack. Bestimmt heißt der FUCK BUSH“ („Danke Nein“ Koljah und Thai Phun). Jedenfalls dürfte Koljah, der als einziger Rapper laut Selbstaussage den Konjunktiv beherrscht, zuzutrauen sein, diese Unsinnigkeit in seiner Aussage zu erkennen. Vielmehr darf vermutet werden, dass mit „politischem“ Rap eher Rapper gemeint sind, die sich als links verstehen. Damit wird auch klar, worin die zweite und auch essentiellere Absurdität in der anfangs zitierten Zeile liegt. Dass sich linke Rappper oder linker Rap letztendlich einreihten in ein reaktionäres, faschistisches Weltbild. Dass dieses Statement nicht einfach nur ein Ausrutscher ist, bewies Koljah in einem Interview vom 16.01.2011 mit dem Rapportal „allesreal.de“. Er sagt darin: „ Außerdem ist die Welt falsch eingerichtet, aber fast alle, die meinen, da was gegen zu haben, liegen noch viel falscher.“ Auf die Frage, wer denn diejenigen seien die etwas dagegen hätten, antwortet Koljah: „Linke, Nazis, Islamisten“.
Die Methode links und rechts gleichzusetzen, ist dabei keine unbekannte in der BRD. Die Extremismustheorie lässt sofort grüßen. Dass damit nichts als reaktionäre Diffamierung fortschrittlicher Kräfte betrieben wird und gleichzeitig Faschisten verharmlost werden, ist das letztendliche Ziel dieser Propaganda. Jedoch kann man Koljah bezogen auf die Begründung für seine Rechts-gleich-Links These nicht direkt in die offizielle Staatspropaganda der Extremismustheoretiker einreihen. Diese gehen vor allem von einer Demokratiefeindlichkeit aus, die allen Extremisten gemein sei. Koljah schwingt hingegen die Antisemitismuskeule, die von staatlicher Seite und in bürgerlichen Massenmedien nicht primär benutzt wird. Der Kabarettist Hagen Rether, der Israel als Apartheidsstaat bezeichnet und den man politisch eher links einordnen kann, wird zum Beispiel von Koljah dem ‚benutzen eines urdeutschen Antisemitismus‘  (Interview allesreal.de) bezichtigt. Allerdings ist es ein Fakt, dass in Israel Palästinenser Bürger zweiter Klasse sind und insofern ein solcher Vergleich durchaus angebracht ist. Wie sich in dieser Aussage eine Judenfeindlichkeit äußert, zeigt Koljah allerdings nicht. Es ist aber der alte wie reaktionäre Versuch Linke, die aufgrund ihrer antiimperialistischen Positionen ein von Natur aus  kritisches Verhältnis zu allen imperialistischen Staaten, wie eben auch Israel , haben, in eine rückschrittliche Ecke zu stellen und damit mundtot zu machen.  Den Beweis dafür, dass Kritik am Staat Israel nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen ist, liefert Koljah indirekt selbst, indem er durchaus angebracht die Verwendung des Wortes „Islamophobie“ kritisiert:  „Der Begriff Islamophobie ist ein Kampfbegriff und verwischt die Grenzen zwischen einerseits Kritik am Islam und andererseits Rassismus gegenüber Moslems. Religionskritik wird so unmöglich; jedes kritische Wort gegen den Islam kann so in die Nähe von Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus gerückt werden“ (Interview allesreal.de).
Der von Koljah wie von vielen anderen „Antideutschen“ auch inflationär gebrauchte Antisemitismusbegriff, trägt im Endeffekt sogar zur Verharmlosung von wirklichem Antisemitismus bei, wenn schließlich schon jede Kritik an Israel als solcher gewertet wird.
Der angebliche Antisemitismus ist trotzdem nicht das einzige, was Koljah an politischem, also linkem Rap stört. „Wozu höre ich politischen Rap. Ich les‘ ein Buch, wenn ich was wissen will“, so eine Zeile aus dem schon zitierten Track „Politscher Rap“. Natürlich ist klar, dass es beispielsweise schwierig ist „komplexe politische Themen… „ wie Marx‘ Theorie von Ausbeutung und Erschaffung des Mehrwert „...  irgendwie auf drei mal 16 Zeilen runterzubrechen“ (Interview allesreal.de).
Jedoch ist das auch nicht der Sinn von politischer Musik. Der Zweck ist doch vielmehr auch damit eine Art Propaganda zu machen, die über Klänge und Rhythmen versucht, Menschen für bestimmte Inhalte und Aussagen zu begeistern. Politische Musik ist letztendlich eine Methode, die über Eingängigkeit auf die Gefühlsebene wirkt und somit Leute dazu bringt, sich mit einer Sache zu identifizieren. Das kann man natürlich nun leicht als hinterlistige Menschenkescherei abtun. Jedoch ist das Ansprechen von Gefühlen einerseits mitentscheidend, um Menschen zu mobilisieren und andererseits wird von der mainstreamisierten Musikindustrie genau die gleiche Methode, bloß  gefüllt mit anderen Inhalten, genutzt, um kleinbürgerliches Konsumdenken und politisches Desinteresse zu fördern.  Beispiele gibt es zuhauf. Im Lied „Welcome to St. Tropez“  von „DJ Antoine“ heißt es zu eingängiger und tanzbarer Musik: „Too much money on the bank account, hands in the air when we scream and shout…“  Hier wird der Eindruck vermittelt, dass es besonders erstrebenswert sei, nur nach viel Geld zu trachten um im überschwänglichen Luxus zu schwelgen. Angeberisches Zurschautragen von irgendwie erworbenem Wohlstand wird genauso angepriesen wie ständiges Party machen und Müßiggang. Gesellschaftlich relevante Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Arbeitshetzte oder Umweltzerstörung werden hingegen nicht angesprochen. Insofern macht es durchaus Sinn, eine Gegenkultur zur dekadenten Mainstreammusik zu schaffen, und gerne auch in Form von linken Rapliedern.
Letztendlich haben Ansichten bzw. Propaganda wie die von Koljah nur zur Folge, dass politische linke Aktivisten verunsichert werden. Denn schließlich möchte ja keiner Antisemit sein und oder dumpf hohle Sprüche gröhlen. Deswegen ist es wichtig, Diffamierungen, wie sie von Koljah und seinen Gesinnungskameraden ausgehen, nicht unwidersprochen zu lassen und deren Verlogenheit zu entlarven.

Sonntag, 18. März 2012

Der rechte Pfaffe darf bald ran

Er bezeichnet sich selbst als „linker, liberaler Konservativer“ und ist doch vor allem eins: reaktionär. Joachim Gauck wird heute von einer bürgerlichen Allparteienkoalition zum neuen Bundespräsidenten gewählt.  Der Spiegel hofft, dass Gauck den Deutschen das“ Vertrauen in die Demokratie zurück geben“ kann und die Taz feiert ihn als einen, der die „überprüfbaren Regeln des Rechtsstaats“ den „idealistischen Utopien“ vorzieht.  Dass Gauck für all diese inflationär gebrauchten Begriffe wie „Rechtsstaat“, „Demokratie“, „Parlamentarismus“ oder „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ steht, macht ihn aus Sicht der bürgerlichen Klasse in Deutschland auch zum geeigneten Staatsoberhaupt. Denn so volksverbunden man ihn auch darstellt, so massenfeindlich ist er. Proteste gegen den Kapitalismus sind für ihn „lächerlich“. Die Armutsreformen von Agenda 2010 oder Hartz IV waren für Gauck ein mutiger Schritt der damaligen Schröder/Fischer Regierung.  Sinngemäß meinte er dazu, dass  die Menschen nicht ewig im gemütlichen Nest des „Sozialstaates“ leben könnten. Jedoch stört es ihn nicht, dass die Kirchen es sich in der BRD schon seit ihrem Bestehen finanziell gemütlich gemacht haben und jährlich Millionen an Förderung erhalten.  Dass er die Oder-Neiße Grenze für diskutabel hält und Thilo Sarrazins rassistische Äußerungen als "mutig" ansieht, stören CDU/CSU und FDP sowieso nicht. Aber auch SPD und Grüne scheinen mit solchen Positionen keine Probleme zu haben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin wird sich in Zukunft zwar des öfteren über Gauck „ärgern“, aber das hindert ihn nicht daran, dem eingefleischten Antikommunisten seine Stimme zu geben.  Schließlich muss man Gauck seinen Hass auf alles Linke nachsehen, wenn doch zu bedenken ist, dass die Kommunisten seinen armen Vater nach Sibirien verbannten. Dass der ein Wehrmachtsoffizier an der Ostfront war und im Gegensatz zu seinen Gesinnungsgenossen in der BRD seine gerechte Strafe erhielt, interessiert da weniger.
In jeder Hinsicht also ist Joachim Gauck ein Bundespräsident, der die Interessen des Monopokapitals  vertreten wird. Er ist genauso abzulehnen wie Christian Wulff, Horst Köhler, Johannes Rau und alle anderen Vorgänger, sowie wie die Wahlfarce Bundesversammlung als pseudo-demokratische Veranstaltung.

Samstag, 18. Februar 2012

Wulff geht ...... erstmal Urlaub in der Luxussuite machen

Nach einer gefühlten Ewigkeit ist Christian Wulff nun von seinem gut dotierten Posten als bundesrepublikanischer Chefgrinser mit fürstlichem Einkommen zurückgetreten. Dass dieser Schritt überfällig war, ist klar, wenn man bedenkt wie sehr Wulf an seinem Stuhl geklebt hat. Um keine Ausrede war er verlegen, kein Lamentieren war ihm zu peinlich und keine absurde Rechtfertigung zu platt. Die Krone der Erbärmlichkeit kann sich Wulff eigentlich nur noch aufsetzen, indem er auf den jährlichen 200.000 Euro Ehrensold für ehemalige Bundespräsidenten beharrt.  Es dürfte der Moralvorstellung des Katholiken Wulff aber nicht widersprechen, eine derartige Pension für den Rest des Lebens zu erhalten, auch wenn die Dienstzeit nur zwanzig Monate betrug und der Rücktritt aufgrund persönlicher Verfehlung erfolgte.
Was der Rücktritt Wulffs aber lehrt, ist laut „Spiegel“, dass in Deutschland der Rechtsstaat noch funktioniere und Frau Merkel betont, dass vor dem Gesetz eben alle gleich sind.  Eine wahrhafte Sternstunde für die Demokratie ist Wulffs Demission, zumindest wenn man der „Zeit“ glauben schenken darf.  Und tatsächlich sind in unserem demokratischen Rechtsstaat alle gleich vor dem Gesetz. Denn wenn Wulff nach 20 Monaten die 200.000 Euro Sofortrente erhält und jemand mit vierzig Arbeitsjahren nur 800 Euro ab 65, dann war der eine eben auch Bundespräsident und die andere nur Kassiererin bei Lidl. Zudem ist Wulfs Rücktritt auch auf Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung erfolgt. Kurze eineinhalb Monate nämlich nachdem die meisten ihn zum Teufel jagen wollten. Eine demokratische Sternstunde eben.
Jetzt wo Wulff aber weg ist, und sich einen noch besser bezahlten Posten in irgendeinem Aufsichtsrat suchen kann, werden alle bürgerlichen Parteien nicht müde, zu sagen, wie wichtig es doch jetzt wäre, einen Kandidaten zu finden, der die  moralische Integrität aufweist, die dieses anspruchsvolle Amt abverlangt.  Deswegen verwiesen SPD und Grüne auch sofort nach Wulffs Abschied darauf, dass sie jetzt bereit wären, gemeinsam mit CDU/CSU und FDP einen überparteilichen, geeigneten  Kandidaten zu suchen. Es wird also von ihnen nicht mal mehr ein Scheinkandidat aufgestellt, um einen demokratischen Wettbewerb vorzugaukeln. Aber wieso auch? Schließlich erwiesen sich SPD und Grüne schon bei den Bundestagsabstimmungen zu den europäischen Bankenrettungsprogrammen als Regierungsparteien ohne Kabinettsmitglieder. Was aber auch der Grund sein dürfte, einen bürgerlichen Einheitskandidaten aufzustellen, ist das, was Sigmar Gabriel als „Widerherstellung des Ansehens des Bundespräsidentenamtes“ bezeichnete. Übersetzt bedeutet dies, die psychologische Bindung der Massen an den Staat und den bürgerlichen Parlamentarismus. Gerade in einer Zeit, in der das Vertrauen der Menschen in die bürgerlichen Parteien sinkt und eine allgemeine Wut über deren Politik entsteht, ist ein scheinbar neutraler, weiser Staatsvati, der mal dazwischen geht, wenn der Haussegen schief hängt, ein Instrument, das Vertrauen in den kapitalistischen Staat zu wieder herzustellen. Wer diese Rolle am besten ausfüllen kann, darüber zerbrechen sich jetzt die Parteigranden vom CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne in demokratischer Manier hinter verschlossenen Türen den Kopf, um dann in circa einem Monat die Bundesversammlung zusammen zu zitieren, die dem aufgestellten Kandidaten dann die Zustimmung geben darf. Die Spekulationen gehen jetzt natürlich los, wen sie sich aussuchen, um in Zukunft Bierfeste zu eröffnen und bei Reden zu Feiertagen den Moralpostel zu spielen.
Der rechte Pastor Joachim Gauck, der schon 2010 gegen Wulff antrat, gilt bei vielen als heißer Tipp. Und tatsächlich besitzt Gauck eine gewisse Anerkennung in der Bevölkerung, vor allem aufgrund seiner Rolle in der Aufarbeitung der Stasiverbrechen und seiner oppositionellen Stellung zum SED-Regime.  Das ändert aber nichts daran, dass Gauck für fortschrittliche und linke Menschen ebenso wenig akzeptabel ist wie Christian Wulff. Man könnte bei seiner Verteidigung des Agressionskrieges in Afghanistan anfangen und bei seiner Zustimmung für die reaktionären Hartz-Gesetze aufhören. Herausstechend bei Gauck ist aber vor allem sein krankhafter Antikommunismus, der beinhaltet, dass er alles was irgendwie links ist mit SED, Stasi, Mauer, keine Bananen im Konsum usw. gleichsetzt.  Andere Namen die kursieren, sind mal mehr mal weniger realistisch.
Wolfgang Schäulbe und Thomas de Maziere sind beide Kabinettsmitglieder und sind wohl kaum entbehrlich, wenn es darum geht, in  noch weiteren Ländern Demokratie und Freiheit durch die Bundeswehr stabilisieren zu lassen oder den griechischen Nichtsnutzen endlich fiskale und monetäre Disziplin beizubringen. Außerdem können beide auch nicht als sonderlich beliebt gelten. Weitere Namen, die genannt wurden für Wulffs Nachfolge sind Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer oder Bundestagspräsident Norbert Lammert. Sie alle zählen wohl zu den CDU Politikern, die etwas beliebter sind, oder besser gesagt beliebter gemacht werden, als der Durschnitt. Wirklich interessant als potenzielle Kandidatin ist eigentlich nur Margot Käßmann, die sich durchaus großer Popularität bei weiten Teilen der Menschen erfreuen kann. Sie war im Gegensatz zu Wulff oder dessen Parteikameraden Adolf Sauerland  bereit, ihren Posten zu räumen, als sie angetrunken am Steuer erwischt wurde, was ihr großen Respekt entgegenbrachte. Außerdem stießen ihre kritischen Äußerungen zum Afghanistankrieg auf viel Beifall, sowie ihre für eine Kirchenvertreterin sehr fortschrittliche Position zur Empfängnisverhütung.
Jedoch würde auch Käßmann sich der kapitalistischen Staatsräson unterordnen müssen. Denn was taugt den deutschen Übermonopolen eine Präsidentin, die ihre Politik und ihre Machenschaften offen kritisiert. Deswegen kann man jetzt schon sagen, wer auch immer Bundespräsident/in wird, er oder sie wird ein Vertreter der Reaktion und des Imperialismus sein. Deswegen bleibt nur interessant, auf welche Art und Weise die herrschende Klasse versucht, die Massen zu täuschen oder aber versucht auf eine härtere Gangart ihnen gegenüber einzustellen. Wer auch immer ausgewählt wird, er oder sie symbolisiert nur die Art und Weise,  wie regiert werden soll, nicht aber einen „Politikwechsel“. Dass die Kapitalistenklasse weiter regiert und dass natürlich auch nur in ihrem eigenen Interesse, das wird auch verhindern, jemals einen fortschrittlichen Menschen im Schloss Bellevue zu sehen.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Gottgegeben is' nich

Dieudonné - der Gottgegebene -  so lautet der Vorname von Diedonné M’bala M’bala übersetzt, sorgte in Frankreich immer wieder für Schlagzeilen mit seinen judenfeindlichen Äußerungen und Aktionen.  Am makabersten war wohl seine Verleihung des „Preises für Unangepasstheit“ an den Holocaustleugner Robert Faurisson in KZ-Uniform im Jahre 2008. Neben mehrerer Verurteilungen wegen antisemitischer Äußerungen entblödete sich M’bala M’bala auch dazu, seinem dritten Kind den Taufpaten Jean-Marie Le Pen zu verpassen. Zudem versuchte er bei der Europawahl 2009 mit der sogenannten „Antizionistischen Liste“ auf Stimmenfang zu gehen. Im Programm dieser Partei wimmelt es nur so von nationalistischem Dünkel und paranoiden Verschwörungstheorien. Artikel eins des Parteiprogramms besagt zum Beispiel: „Der Einfluss des Zionismus auf die öffentlichen Angelegenheiten der Nation muss abgeschafft werden". Oder in Artikel fünf wittert die Partei eine jüdische Verschwörung in ganz Frankreich, indem sie sagt, dass „Unser Staat, unsere Regierung und unsere Institutionen von der Vereinnahmung und dem Druck zionistischer Organisationen befreit werden müssen“.
Es braucht also keine großen analytischen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass M’bala M’bala die reaktionäre Ideologie des Antisemtismus vollends vertritt und dem faschistoiden Spektrum zuzuordnen ist.  Interessanter ist hingegen die Gefahr, die jemand vom Schlage Dieudonnés aussendet. Offiziell ein Komiker tourt Diedonné regelmäßig mit seinem Programm durch die frankophonen Lande und kann dabei durch aus in größeren Hallen Publikum anlocken. Auf seiner Facebookseite wird er immerhin von über 100.000 angemeldeten Usern geliket. Und wäre Dieudonné ein „ganz normaler“ weißer französischer Antisemit, seine Anziehungskraft und das Interesse für ihn wären wohl weitaus geringer und auf offen rechte Kreise begrenzt. Jedoch hat er selbst einen Migrationshintergrund mit elterlichen Wurzeln in Kamerun und ist noch dazu Moslem.  Diese Rolle als einer der selbst von der französischen Mainstreamgesellschaft ausgeschlossen und stigmatisiert wird, kann ihm durchaus den Zugang zu der großen in Frankreich lebenden Zahl an Migranten aus muslimisch geprägten Ländern erleichtern, zumal er sich früher auch für deren Bleiberechte einsetzte.
Deren Situation ist oft das, was gerne als „prekär“ bezeichnet wird. Also schlechtes Einkommen, wenig Bildungschancen, Leben in sozialer Ausgrenzung und Illegalität. Da bietet sich natürlich ein jüdischer Sündenbock an, der den französischen Staat kontrolliert und aus purem Moslemhass und Weltherrschaftsstreben den Arabern in Frankreich das Leben schwer macht. Außerdem hegen viele Menschen aus muslimischen Ländern eine teilweise berechtigte Kritik an dem Vorgehen des Staates Israel im Nahen Osten. Damit soll nun keineswegs der ganzen arabischen Community in Frankreich unterstellt werden, mit Dieudonné d’accord zu sein oder judenfeindliche Vorbehalte zu haben. Jedoch hat Dieudonnés Demagogie das Potenzial, die Wut über die sozialen Missstände im Kapitalismus in eine reaktionäre Bahn zu lenken. Gleichzeitig dient der Antisemitismus immer auch dazu, die wahren Unterdrücker und Ausbeuter zu verschleiern. Ähnlich wie die faschistoide Tea Party in den USA wird sich scheinbar gegen eine  vermeintliche Elite aufgelehnt, ohne die bourgeoise Klasse als unterdrückende Klasse  oder überhaupt als Klasse zu entlarven.  Deswegen muss Diedonné und Seineslgeichen auch von allen fortschrittlichen Kräften ebenso bekämpft werden wie die Front National.
Es zeigt sich also mal wieder, es gibt keinen Gott. Denn würde es ihn geben, hätte er uns nicht Dieudonné gegeben!

Montag, 6. Februar 2012

Methling weiter am Ruder in Rostock

Laut Ostsee-Zeitung sah Roland Methling seinen Wahlsieg im ersten Wahlgang als Bestätigung der Rostockerinnen und Rostocker für seine Politik. Mit dieser Aussage wird allerdings nicht etwa Methlings Politik bestätigt, sondern vielmehr die Tatsache, dass dieser Mensch weit von der Realität entfernt lebt. Bei einer Wahlbeteilgung von 36,6% und ca. 174.000 Wahlberechtigten stimmten gerade einmal ca 34.260 für Roland Methling. Das sind also nur knapp 20% der Rostocker Bürgerinnen und Bürger, die diesen OB weitere 7 Jahre ertragen wollen. Wenn man dann auch noch Mehtlings absolute Stimmenanzahl vom letzten Sonntag mit der Anzahl vergleicht, die er 2005 erzielte, stellt sich heraus, dass er sogar knapp 7.000 verlor (vgl 2005: 41933 Stimmen für Methling).
Diese Tatsache ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man Methlings Politik der letzten Jahre Revue passieren lässt. Mit aller Macht wollte Roland Methling das stadteigene Südstadt Klinikum verkaufen, wogegen sich in der Bevölkerung starker Widerstand regte. Es ist wohl einer der perifidesten Auswüchse des kapitalistischen Systems, mit der Gesundheit oder vielfach auch Krankheit von Menschen Porfite machen zu wollen. Methling allerdings hat gegen solche Machenschaften wenig einzuwenden. Genauso wie dagegen, dass im Jahre 2007 der Neonaziladen "East Coast Corner" aufmachte. Eine Reaktion seitens des achso antifaschistischen OB blieb damals aus. Zudem rühmt sich Methling damit, 40 Millionen Euro Schulden abgebaut zu haben. Auf wessen Rücken dies geschah, wenn dem denn überhaupt so ist, kann man in Rostock alltäglich erleben. Zuschüsse für Vereine und Jugendclubs wurden gekürzt oder ganz gestrichen. Das Theater siecht dahin. Hingegen hatte Mehtling große Pläne, historische Gebäuder der Hansestadt zu verkaufen wie etwas den Wasserturm oder das Kröpeliner Tor. Kurzum, es gibt genügen Gründe, Roland Mehtling zu kritisieren und ihn als OB abzulehnen.
Und ähnlich dachten wohl auch viele Hansestädter, als am 05.02. die Wahl zum Oberbürgermeister anstand. Dass es nun nicht zu einer Ablösung Methlings kam, scheint auf den ersten Blick schwer nachvollziehbar. Dabei muss aber bedacht werden, dass die "Gegner" Methlings auch keine wirklichen Alternativen zu diesem darstellten und sich auch wenig von ihm inhaltlich distanzierten. Karina Jens, die sicht nicht mal traute den Namen ihrer Partei CDU auf ihre Wahlplakakte zu drucken - was einiges darüber aussagt, wie verhasst diese Partei an der Warnow ist - kam mit der begeisternden Idee, Verwaltung von Hansestadt Rostock und Landkreis Rostock zusammen zu legen. Im Endeffekt würde das für die eh schon zusammengekürzten Belegschaften der Verwaltungen bedeuten, dass am Ende Stellen gestrichen werden. Kerstin Liebich von der Linken kommt nicht weder aus Rostock, noch hat sie längere Zeit in der Stadt gelebt. Das allein muss einen nun nicht gleich disqualifizieren. Doch die Tatsache, dass ihre Wahlaussagen auf den Plakaten vor Inhaltsleere nur so strotzen, sollte es umso mehr. "Rostock Lieb' Ich" wird wohl kaum jemanden überzeugt haben. Als "Linke" hätte sie stattdessen Mehtling für seine durchaus als rechts zu bezeichnende Politik scharf attackieren können. Leere Slogans gab es auch vom vorher als am aussichtreichsten Methlinggegner eingeschätzten Ait Stapelfeld. Dieser, übrigens Chef vom allseits beliebten Rostocker Finanzamt, vertraute mehr darauf Gesichter von anderen Leuten auf seine Plakaten abzudrucken, die erklärten, warum sie ihn aus verschiedenen Gründen unterstützten. Wie er allerdings die hohe Arbeitslosigkeit in der Hansestadt bekämpfen wollte oder mehr günstigen Wohnraum bereitstellen wollte, das konnte Stapelfeld trotz Glücksschwein zum neuen Jahr nicht. Den anderen drei Kandidaten, Sybille Bachmann, Christian Blauel und Toralf Vetter waren im Vorfeld nur wenig Chancen eingeräumt worden und ihre Ergebnisse bestätigten diese Annhame auch. Jedoch war auch da von keinem wirklich eine Alternative zu erwarten, höchstens noch Toralf Vetter, der sich aber wohl aufgrund geringer finanzieller Mittel kaum publik machen konnte.
Bei diesem Pool an mehr oder weniger angepassten Gegenkanditaten wirkt Mehtlings Sieg noch weniger schmeichelhaft, als das, was das Ergebnis in Zahlen eh schon vermuten ließ. Fakt ist jedoch Mehtling bleibt weitere sieben Jahre Bürgermeister in der Stadt der Sieben. Um die Vorfreude auf diese Zeit noch zu vergrößern, kündigter er in der Ostsee-Zeitung schon mal "eine härtere Gangart" an. Hoffentlich bläst ihm auch ein stärkerer Wind  entgegen, vor allem von der Straße, denn von den etablierten Parteien in der Bürgerschaft ist ein Orkan nicht zu erwarten.