Samstag, 25. Januar 2014

Lanz und all die anderen

Es ist eigentlich erstaunlich. Die Sendung „Markus Lanz“ vom 16. Januar mit eben diesem Moderator erregte selbst in den großen bürgerlichen Medien viel Aufmerksamkeit, nachdem es zu wiederholter Kritik an seinem Umgang mit Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht gekommen war.

Der Grund für die Aufmerksamkeit ist aber weniger Lanz‘ unsachliches und aggressives Moderationsverhalten gegenüber Sahra Wagenknecht, flankiert vom Stern-Journalisten Hans-Ullrich Jörges, sondern die Tatsache, dass sich im Internet vielfach empörte Reaktionen auf die Sendung entluden. Selbst eine  Online-Petition, die die Absetzung von Markus Lanz fordert, wurde bereits von über 130.000 Personen gezeichnet. Es darf bezweifelt werden, dass, hätte es diese breite Empörung nicht gegeben, sich überhaupt eine Erwähnung von Lanz‘ Verhalten in den bürgerlichen Postillen gefunden hätte. Nun aber kann Spiegel-Online wenigstens noch süffisant nachtreten: „Die Linke sieht sich allzu gern als Opfer der Medien. Sie wittert Zensur, Kampagnen, Totschweigen ihrer Positionen. Und deshalb ist die Causa Lanz wie geschaffen für die Partei, in der gar eine eigene Abkürzung für die ungerechten Medien kursiert.
Ob nun Lanz‘ Talkshow abgesetzt wird, wie z.B. in der Online-Petition gefordert, oder nicht, der Kern des Problems ist ein anderer und nicht auf Markus Lanz zu reduzieren. Denn Lanz ist eigentlich vielmehr Symptom als Ursache des Problems.
In den bürgerlichen Massenmedien kommen nämlich wirklich linke Positionen kaum vor, während bürgerlichen Politikern eine immense Zeit eingeräumt wird, ihre Positionen und Ansichten zu vertreten. Ebenso sind die „kritischen“ Nachfragen der Journalisten selten darauf ausgerichtet, die Gesamtargumentation bürgerlicher Politiker zu hinterfragen. „Kritische“ Fragen reduzieren sich zunehmend auf Absurdes und Banales. Geradezu grotesk ist es beispielsweise, wenn in Sendungen wie „Berlin Direkt“ (ZDF) oder beim „Bericht aus Berlin“ (ARD) immer wieder moniert wird, wie viele teure Wahlversprechen die neue Große Koalition nun umsetzen möchte, ohne zu sagen, wie diese Maßnahmen finanzierbar seien. Aufgeführt werden dann Vorhaben wie die „Mütterrente“ oder die „abschlagsfreie Rente ab 63“ nach 45 Beitragsjahren. Dass die diese Vorhaben kaum reale Verbesserungen für die Masse der Bevölkerung bedeuten und durch Inflation, Erhöhung von Sozialversicherungsbeiträgen, Reallohnsenkungen etc. mehr als aufgefressen werden, wird hingegen nicht kritisiert.
Im Gegenteil. Es wird den bürgerlichen Politikern ständig nach dem Mund geredet, wenn es um essenzielle Frage geht. So wurde im Vorfeld des Wahlkampfes einhellig die von der CDU verbreitete Aussage übernommen, Deutschland ginge es wirtschaftlich extrem gut. Die Millionen Hartz-IV.Empfänger, Niedriglöhner und unsicher Beschäftigten können also mit „Deutschland“ nicht gemeint sein. Tatsächlich aber haben deutsche Großkonzerne von der Politik vergangener Bundesregierungen trotz Weltwirtschaftskrise enorm profitiert. Das liegt einerseits an den unter Rot-Grün verabschiedeten Agenda-Reformen, die durch eine Ausbeutungsoffensive deutschen Konzernen Konkurrenzvorteile gegenüber anderen Ländern verschafft haben. Andererseits liegt es auch an der weiter verschäften Umverteilung des Volksvermögens zugunsten der Bourgeoisie durch Umlage von Strompreisen auf kleine Endverbraucher, Bankenrettungsschirme, Subvention von profitversprechenden Großprojekten (Stuttgart 21, Berliner Flughafen, Elbphilarmonie etc.), Abbau staatlicher Diensleistungen zur „Haushaltskonsolidierung“, Entwertung von Löhnen und Sparguthaben durch Anheizen der Inflation usw. usf. Die absolute und relative Armut in Zusammenhang mit all diesen Maßnahmen zu bringen, darauf kommen die meisten Journalisten in den Massenmedien nicht. Nicht einmal der noch geschönte Armutsbericht der letzten Schwarz-Gelben Regierung löste einen bedeutenden Aufschrei aus.
Es ist also nur logisch, wenn linke Positionen als wenig realitätsnah erscheinen, wenn gleichzeitig darüber debattiert wird, ob eine Erhöhung der Hartz-IV Regelsätze um fünf Euro gerechtfertigt ist, anstatt zu fragen, ob es bei dieser immensen Produktivität in Deutschland überhaupt notwendig ist, Menschen am Existenzminimum darben zu lassen und in Niedriglohnjobs zu zwingen.
Wenn dann doch einmal jemand von der Partei „Die Linke“ kommt und Forderungen nach einem Hartz-IV Satz von 500 Euro und nach zehn Euro Mindestlohn stellt, ist es fast ein Leichtes, diese Forderungen als abwegig darzustellen, wenn sich sonst alle über die Richtigkeit von Hartz-IV und Agenda 2010 einig sind.
Es ist dabei eigentlich schon pervers, wie schon „Die Linke“ attackiert wird, wenn sie in Talkshows mit Vertretern präsent ist oder in Artikeln erwähnt wird. Wirklich radikal – auch wenn Leute wie Lanz & Co es gerne so darstellen – ist diese Partei nämlich nicht. Forderungen wie die gänzliche Abschaffung der Lohnarbeit anstatt eines Mindeslohnes oder die Vergesellschaftung aller Produktionsmittel, statt den „Sozialstaat“ zu reformieren, finden sich nämlich auch bei der „Linken“ nicht. Und solche Meinungen, die wirklich eine Überwindung des Kapitalismus anstreben, kommen auch überhaupt nicht in den Massenmedien vor.
Logisch! Wenn schon „Die Linke“ unerfüllbare Forderungen stellt, die eigentlich nur niedergemacht werden können, ja müssen, wenn man sich des gesunden bürgerlichen Menschenverstandes bedient, dann sind die Ansichten von kommunistischen Wirrköpfen höchstens noch etwas für den Zirkus.

Letztendlich steckt hinter der Art und Weise wie in den bürgerlichen Massenmedien berichterstattet und diskutiert wird System. Markus Lanz ist dabei nur ein besonders auffälliges und abstoßendes Beispiel. In Ausnahmefällen finden sich zwar auch einmal kritische Reportagen oder radikalere Stimmen, doch diese Gehen unter in dem als „pluralistisch“ verbrämten Einerlei aus FDP vs Grüne vs CDU/CSU vs SPD vs (naja gut) Die Linke.
Die auflagenstärksten Zeitungen befinden sich alle in der Hand großer Medienmonopole, die schon aufgrund ihres Charakters als kapitalistischer Betrieb einen ähnlichen Standpunkt vertreten, wie ihre Abbilder aus Industrie, Dienstleistungssektor, Transportsektor etc. Ähnliches ist über die privaten Fernsehsender zu sagen. Aber auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, die scheinbar unabhängig sind, verfolgen im Grunde die Agenda der Bourgeoisie. Die Fernsehräte nämlich, die also über wichtige Personalien entscheiden, setzten sich nämlich auch aus diversen Vetretern der bürgerlichen Klassen (Politiker, Kirchenvertreter, Wirtschaftslobbyisten etc.) zusammen. Selbst also, wenn kritische Journalisten es zu einer Anstellung in einer dieser Medieninstitutionen bringen, wird ihr kritischer Geist früher oder später von einem bürgerlichen Chefredakteur gebremst, der erstens die Agenda festlegt (worüber wird berichtet, worüber nicht) und zweitens unliebsame Artikel auch zensieren kann.

Es nützt also wenig sich Illusionen über eine „objektive“, „pluralistische“ oder „kritische“ gar „linke“ Presse zu machen unter den Bedingungen des Kapitalismus. Die Denkweise der Herrschende wird durch vielschichtige Verflechtungen eben auch über die Massenmedien transportiert. So berechtigt es auch ist Lanz weghaben zu wollen, der Rest der Bagage sollte gleich mit. Das ist zwar jetzt noch unrealistisch, aber der Versuch eine Gegenöffentlichkeit aufzubauen und auf der Straße Politik zu machen sind ein guter Weg dahin.