Sonntag, 18. November 2012

Schwarz-Grün im Test


Nach dem die Grünen per Urwahl ihre beiden Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl bestimmt haben, mehren sich die Stimmen, die eine künftige Schwarz-Grüne Koalition nach der Wahl 2013 im Kommen sehen. Medial wird als Grund dafür die relativ überraschende Wahl von Katrin Göring-Eckardt neben Jürgen Trittin angesehen. Göring-Eckardt ist Mitglied im Präsidium der Evangelischen Kirche in Deutschland und gilt Parteiintern als dem rechten oder auch Realo-Flügel zugehörig. Das nehmen Deutschlands Leitmedien als Indiz, eine Annäherung der Grünen an die CDU/CSU festzustellen.  
Doch bedarf es wirklich KGE von der EKD, um diese Zwei Parteien füreinander bündnisfähig zu machen? Im ersten Teil des großen Koalitionschecks analysiert Heinrich Pedersen die Affinität auf Seiten der Bündnisgrünen zu den Unionsspitzen.

Alexander Dobrindt:
Der Chefreaktionär der Unionsparteien ist für diesen Posten auch wirklich die Idealbesetzung. Antiatomkraftgegner bräuchten sich nicht zu wundern, wenn in ihren Gärten bald Minarette stünden. Und die Linke gehört sowieso verboten.  Erstere Äußerung hinzunehmen, wäre für einen Cem Özdemir wohl dann doch etwas zu viel Integration. Und letzteres Statement würde wohl auch den letzten grünen Quotenlinken Ströbele vergraulen. Dabei ist Dobrindt durchaus Mann, aber vor allem Mensch von Welt. Es muss bei ihm nicht mehr immer nur der Rotary Club sein. Auch im Vapiano oder im Berghain trifft man den Bayern bei Berlinbesuchen öfter, seitdem er sein Styling prenzelbergfähig gemacht hat. Trotzdem bleibt die Frage offen, ob die Grünen, die so sehr in der bürgerlichen Mitte ankommen wollen, ihm den antigrünen Disstrack „Ein Männlein steht im Walde ganz grün und dumm“ verzeihen können.

Grünenfaktor: Etwas mehr rhetorische Nonchalance und der sympathische Hipster darf zumindest beim veganen Brunch dabei sein.

Peter Altmaier:
Er ist Umweltminister. Und das könnte ein Problem werden in der nächsten Koalition. Denn diesen Job will und bekommt ein Grüner, und wenn nicht dann zumindest eine Grüne. Aber Altmaier ist auch flexibel. Wo Angie ihn braucht, da geht er hin, ohne zu meckern. Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Europaexperte oder nun Umweltminister. Altmaier kann alles und macht alles. Deswegen wird schon irgendein Job für ihn abfallen. Und auch wenn sein Aussehen nicht gerade en vogue ist, für die Grünen ist Altmaier der Kuschelbär in der neuen Koaltion. Schon während Zeit der „Pizzaconnection“ ließ er sich bei informellen Treffen mit grünen Jungpolitikern gut schmecken. Und mit seinem Herz für Migranten, Homosexuellenrechte und Netzpolitik erweicht er am Ende auch das Herz des letzten grünen Fundis. Zwar bremst Altmaier als Umweltminister systematisch die Solarbranche aus, aber für pragmatische Kompromisse sind die grünen Realos immer zu haben.

Grünenfaktor: Sogar die grüne Jugend feiert ihn mit der Internationalen. Die Realos feiern ihn sowieso, zwar ohne die Internationale, aber in Mitte gibt’s doch diesen netten Italiener. Da könnte man ja mal wieder gemeinsam hin.

Ilse Aigner:
Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin. Also schon wieder eine, die einen Job hat, den die Grünen eigentlich für eine(n) der Ihrigen wollen. Aber puh… Glück gehabt. Die geht ja nach der bayrischen Landtagswahl wieder zurück in die Provinz.

Grünenfaktor: Stress gibt’s nur, wenn die CSU die Landtagswahl verliert und sie doch bleiben will.

Wolfgang Schäuble:
Wenn sich Helmut Schmidt erst zu Tode gepafft hat, ist er die graue Eminenz der deutschen Politik. Aber solange Wehrmachtsoffizier a.D. Schmidt noch lebt, wird Angela Merkel auf Schäuble wohl nicht verzichten wollen. Seine Law-and-Order-Politik als Innenminister kam bei der freigeistigen Parteibasis der Grünen ja nicht so toll an. Aber das Gute ist, dass die Gesetzte ja nun schon mal verabschiedet sind. Und um sich lästige Debatten zu sparen, können die Grünen getrost darauf verzichten, die Vorratsdatenspeicherung wieder abzuschaffen. Man wird also keinen Pseudo-Streit mir Kamerad Schäuble anzetteln müssen, um ein Bürgerrechtsimage zu pflegen. Aber der Schäuble ist ja mittlerweile eh Finanzminister. Dumm nur, dass das auch Jürgen Trittin werden will. Jedenfalls sinnierte Schäuble schon 1998 über Schwarz-Grüne Koalitionen und ein Pragmatiker wie er findet bei den ebenso pragmatischen Grünen vielleicht auch Anklang

Grünenfaktor: Er ist schon ein oller Spießer. Aber was soll’s davon haben die Grünen ja selber genug.

Horst Seehofer
Jeder weiß, die Grünen sind keine singenden Blumenkinder mehr. Auch keine radikalen Friedensaktivisten und auch keine militanten Gleisblockierer. Man sagt, sie  seien entweder erwachsen geworden, realistisch, in der Mitte der Gesellschaft angekommen, pragmatisch oder einfach alles zusammen. Jedenfalls sind sie deutlich nach rechts gerückt. Aber der Abzweig nach rechts ist weit und fast an seinem Ende steht Horst Seehofer. Er will sich gegen „die Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme bis zu letzten Patrone wehren“. Die Grünen müssen also doch noch ein Stück weiter gehen, damit sie sich mit dem Vollhorst im Bierzelt zuprosten können. Aber Parteien sind entwicklungsfähig und Seehofer ist genau wie Dobrindt doch eigentlich gar nicht so übel, wie es auf den ersten Blick scheint. In zweiter Ehe verheiratet dazu noch ein Kind außerhalb jeglichen Ehegelübdes gezeugt. So schlimm ist der katholische Muff beim Seehofer Horst auch wieder nicht.

Grünenfaktor: Der CSU-Chef will ja eh in Bayern bleiben und solange das so ist, wissen die Grünen ihn und seine Patchworkfamilie auch als alternatives Lebensmodell zu schätzen.

Ronald Pofalla
Die rechte Hand der Kanzlerin ist stylisch auf jeden Fall auf der Höhe. Und von ihm können die Grünen auch politisch noch einiges lernen. Die „dämliche(n) Fresse(n)“ von parteiinternen Querulanten kann er ja bekanntlich schon lange nicht mehr sehen.  Adrett aber durchsetzungsstark. Er trifft den Ton der Berliner Politik. Mehr von seiner Sorte bei den Grünen und man müsste keine nervigen Sonderparteitage durchführen, um die Beibehaltung der Atomenergie bis 2022 durchzusetzen.

Grünenfaktor: Bei den Grünen beliebter als bei der CDU. Bekommt nach seiner politischen Karriere eine Job bei der Heinrich-Böll-Stiftung.

Kristina Schröder
Sie ist selber emanzipiert und wendet sich gegen ein Diktat von Rollenbildern. Jedenfalls wenn man ihrem Buch glauben darf. Klingt schon irgendwie grün. Aber die Kristina wird noch besser. Sie fordert von deutschen Unternehmen eine Frauenquote in Führungspositionen. Jedes grüne Herz wird dabei höher schlagen, gelten doch auch bei den oberemanzipierten Grünen Frauenquoten als bestes Mittel, um die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen zu kaschieren. Und seitdem Frau Schröder auch noch als Ministerin, sozusagen im Amt, ein Kind bekam, sinniert sie über die Herausforderungen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Dass das mit einem Ministergehalt besonders schwierig ist, können auch die Grünen Architektinnen, Oberärztinnen, Verwaltungsbeamtinnen und innovative Unternehmerinnen bestens nachvollziehen.

Grünenfaktor: Voll emanzipiert. Die Grünen müssen sie einfach lieben.

Ursula von der Leyen
 Die Bundesministerin für Arbeit(slosigkeit) und (Un)Soziales haut gern mal in die Kerbe. Als sie gönnerhaft die Bezüge für Hartz IV-Empfänger um fünf Euro erhöhte, mahnte sie zugleich an, dass im Hartz IV-Satz kein Geld für Tabak und Alkohol enthalten sei. Das können bestimmt auch die Grünen unterschreiben, die sich eh wundern, warum die ganzen Hartzer die Staatskohle lieber versaufen, anstatt Bioprodukte zu kaufen. Trotzdem beschlossen die Grünen auf ihrem Parteitag in Hannover, den Hartz-IV Satz auf dekadente 420 Euro zu erhöhen zu wolle n. Ob Frau von der Leyen, den Ökos so viel soziale Wärme durchgehen lässt, bleibt fraglich.

Grünenfaktor: Passt schon. Gegen „Prekariat“ und „Unterschichten“ verbindet die gleiche Antipathie.

Angela Merkel
Angie weiß, wie es um die Machtoptionen der CDU steht. Mit der FDP ging es ja widererwarten nicht so besonders gut und mittlerweile nervt der Koalitionspartner auch nur noch. Mit den Sozen könnte man es natürlich wieder machen, aber warum nicht auch mal die Grünen ausprobieren. Vorteilhaft wäre eine Koalition mit den Grünen insofern, als das sie weniger Ministerposten an den Koalitionspartner abtreten müsste. Dann wäre auch wieder Spielraum da, so sympathische Kollegen wie Karl Theodor zu Guttenberg oder Norbert Röttgen zu begnadigen. Inhaltlich jedenfalls hat Merkel kein Problem mit den Grünen. Wenn’s drauf an kommt, stimmen sie allem zu, was die CDU vorschlägt. Bankenrettungsschirme, Gnadenfrist für Atomkraftwerke, Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Und alles aus der „Opposition“ heraus. Wie handzahm müssen die Grünen wohl erst als Regierungspartei sein? Angie will die Grünen und dann werden die Grünen auch sie wollen.

Grünenfaktor: Auf jeden Fall besser als die Zampanos Schröder und Steinbrück

Peer Steinbrück
Huch, was macht der denn hier? Tja, nachdem die SPD die Bundestagswahl mit einem noch schlechteren Ergebnis beendet hat als bei der Wahl 2009, war der Schuldige schnell gefunden. Bei den Genossen in Ungnade gefallen nimmt Angela Merkel Klare-Kante-Peer in ihre Regierung auf. Warum? Natürlich vor lauter Dankbarkeit, dass Steinbrück während des Wahlkampfes genau das Gleiche erzählt hat wie sie selbst und damit auch die letzten SPD Wähler verprellen konnte. Sein Posten? Minister ohne Geschäftsbereich. Denn nach dem langen Wahlkampf braucht er erstmal Zeit für eine ausgedehnte Vortragstournee durch die Hotellobbies der Republik.

Grünenfaktor: Egal, ist ja eh nie da.