Samstag, 25. August 2012

Yin und Yang auf dem Klo

Liebe Leserinnen und Leser des Blogs,
sicherlich habt ihr eucht schon gefragt, warum es seid längerer Zeit keine Posts mehr gab. Ich verspreche das wird sich wieder ändern, sobald die zeitliche Situation es mir erlaubt. Um die Wartezeit ein wenig zu verkürzen, kommt hier ein Gastbeitrag von Friedrich Bienkopp. Lesenswert is er alle mal. Also rein ins Vergnügen.

 von Friedrich Bienkopp

Die Esoterik-Frauenzeitschrift happinez versucht, hübsch verpackt, ganz alte Geschlechterweisheiten in neuem Anstrich zu verkaufen.

Esoterik ist chic. Zumindest, wenn es nach happinez geht. Das selbsternannte Mindstyle-Magazin versucht, mit ansprechendem Format und Layout eine neue Zielgruppe für ihre Mischung aus Esoterik, Spiritualität und jeder Menge passender Konsumangebote zu erreichen. Welche Zielgruppe das ist, lässt sich anhand einer eigenen Resonanzstudie sehr leicht darstellen: Kaufkräftige Frauen mittleren Alters. Soweit so banal, könnte man meinen und das Magazin zu Brigitte, InTouch und co. zur Klolektüre legen. Aber einige Besonderheiten der Verkaufsstrategie machen es doch spannend, sich das "Heft für Menschen, die interessiert sind am Entdecken ihrer Innerlichkeit, verbunden mit einem angenehmen Leben" einmal näher anzuschauen. Um sich von der journalistischen Konkurrenz anderer Frauenmagazine abzuheben, wird bewusst auf ein alternativ angehauchtes Image gesetzt. Die Inhalte werden als Alternativen zum bestehenden "normalen" Leben verkauft. Mit dem Anwerben einer weiblichen kaufkräftigen Leserinnenschaft soll Esoterik gleichzeitig aus der Hippie-Ecke geholt werden und bei der Initiierung eines neuen Eso-Hypes mitgeholfen werden. Und das mit Erfolg: Seit etwas mehr als zwei Jahren auf dem deutschen Markt kann die zur Bauer Media AG gehörende Zeitschrift mittlerweile eine Auflage von 100000 verbuchen. Doch wie alternativ und fortschrittlich ist happinez wirklich? Zeit, einen Blick hinein zu werfen.
Neben den Frauenzeitschriften-Klassikern wie Gesundheits-, Reise- und Ernährungstipps finden sich Rubriken mit viel sagenden Titeln wie Spiritualität, Weisheit oder Inspiration. In der aktuellen Ausgabe 03/12 der zweimonatig erscheinenden Zeitschrift stößt man schließlich unter dem Titelthema "Energie" auf einen Artikel, an dem man beispielhaft einige Mechanismen und Strickmuster des Magazins nachvollziehen kann. Unter der Überschrift "Yin und Yang: Energien der Gegensätze" entführt uns Autorin Ingrid Melenberg in eine Welt aus gruseligen Geschlechterklischees und Halbweisheiten. Basis des Textes ist die These, dass männliche und weibliche Handlungs- und Denkmuster klar voneinander abgrenzbar wären. Jeder Mensch würde sowohl weibliche als auch männliche Energie in sich tragen. Erst, wenn beide Energien im Einklang sind, würde sich ein glückliches Leben einstellen. Was dabei als weibliche und was männliche Energien deklariert wird, kann man sich leicht vorstellen: In einer Art Psycho-Test sollen wir anhand einer Tabelle Fragen beantworten, zu welchem Geschlechterpol wir neigen würden. "Weibliche" Fragen sind z.B. "Kann ich mehrere Dinge gleichzeitig tun?" oder "kann ich Gefühle mit anderen teilen?", während auf "mannlicher" Seite gefragt wird "will ich bei Spiel und Sport immer gewinnen?" oder "bin ich gut im räumlichen Denken?". In diesem Stil geht es auch im Text weiter. Anhand von banalen Beispielen wie beispielsweise dem Schreiben eines Artikels soll verdeutlicht werden, dass verschiedene Tätigkeiten entweder männliche oder weibliche Energie erfordern würden. An der Feststellung, dass bestimmte Handlungen unterschiedliche Anforderungen an uns stellen, ist abgesehen von ihrer Banalität nichts auszusetzen. Aber die Projektion auf längst überholte Geschlechterklischees ist genauso unzeitgemäß wie gefährlich. Gruselig wird es aber nicht erst dann, wenn in dem Artikel der "weiblichen" Kompetenz zu pflegen und zu schützen, die "männliche" Fähigkeit, Führung zu übernehmen, entgegengesetzt wird. Durch pseudowissenschaftliche "Erkenntnisse" wie Ruhe = weiblich und Aktivität = männlich werden Geschlechterrollen als quasi von Natur aus bestehender Fakt dargestellt.  Die gesellschaftliche Konstruktion von Geschlechterkategorien und Einflüsse der Sozialisation bleiben dagegen völlig unbeachtet. Die Schlussfolgerung daraus hieße, dass die bestehenden Geschlechterunterschiede quasi schicksalhaft und unveränderlich in die Gesellschaft einbetoniert wären. In dieser Hinsicht erfüllt Esoterik dabei die gleiche Funktion wie Religion: Gesellschaftliche Verhältnisse werden als - durch Gott, Schicksal oder die Natur - vorgegebene Systeme betrachtet. Bei der Esoterik kommt dabei noch eine Konzentration auf das eigene Ich hinzu - in der Summe der Tod jeglichen Versuchs einer Veränderung der Gesellschaft. Happinez versucht nun auf diesen Zug aufzuspringen, mit dem Ziel eines hohen Umsatzes und einer verkaufsgeilen Eso-Industrie hinter sich. Auch wenn als fortschrittlich, nachhaltig und alternativ inszeniert, erscheint das "Mindstyle-Magazin" bei näherer Betrachtung nicht einmal Klolektüren-tauglich. Esoterik ist eben doch nicht chic.