Montag, 6. Mai 2013

NSU-Prozess: Wenig Erfreuliches am ersten Tag


Mit viel Spannung wurde der erste Prozesstag gegen die faschistischen Terroristen des „NSU“ heute in München erwartet . Jedoch bewiesen Justiz und Polizei gleich am ersten Tag, dass nicht zu viel von ihnen erhofft werden darf.

Was war geschehen? Die Anwälte der Hauptangeklagten Beate Zschäpe reichten einen Antrag wegen Befangenheit gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl ein. Ebenfalls taten dies die Anwälte des NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben. Grund für die angebliche Befangenheit war Götzls Entscheidung, alle Anwälte vor dem Betreten des Verhandlungssaals Leibesvisitationen zu unterziehen, damit diese keine verbotenen Gegenstände wie etwa Waffen mit in das Gericht bringen können. Mokiert wird nun von den Anwälten der Faschisten, dass dies diskriminierend sei, weil sie einerseits unter Generalverdacht gestellt würden und anderseits diese Kontrollen nicht auch bei den Mitgliedern der Staatsanwaltschaft und des Gerichts vollzogen würden.

Zwei Dinge sind an diesem Vorgang zutiefst empörend. Zum Einen die Strategie der Nazi-Anwälte, den Prozessauftakt unnötig zu verzögern, nachdem es eine gefühlte Ewigkeit gedauert hatte, bis es endlich zur Anklage gegen die faschistischen Terroristen kam. Ihr Ziel hat der Rechts-Beistand der Faschisten nun auch erreicht. Der Antrag wegen Befangenheit wird geprüft und der Prozess erst am 14.Mai fortgesetzt. Ursprünglich war geplant, noch in dieser Woche zwei weitere Verhandlungstage durchzuführen. Unerträglich ist es für die Angehörigen der Opfer (zehn mit Schusswaffen hingerichtete Menschen und zahlreiceh bei Sprengstoffanschlägen verletzte und schwerverletzte Menschen) aber auch für die antifaschistische Öffentlichkeit, dass ausgerechnet die Verteidiger der Faschisten die dringend gebotene Aufklärung über die Taten des NSU torpedieren. Mit Mitteln bürokratischer Formalien wollen dieNSU-Anwälte anscheinend erreichen, dass durch die Langwierigkeit des Gerichtsverfahren, die kritische Öffentlichkeit sowie der öffentliche Protest und das riesige Interesse an dem Prozess zermürbt wird. Außerdem stellt es auch für die zahlreichen Nebenkläger zeitliche und finanzielle Belastungen dar, wenn unnötig viele, nicht der Aufklärung dienende Prozesstage abgehalten werden.Nicht zuletzt wird nämlich das Strafmaß für die faschistischen Terroristen auch davon abhängen wie sehr die Öffentlichkeit auf Aufklärung drängt und sich die Nebenkläger mit in den Prozess einbringen können.Das andere Empörende ist aber, wieso das Gericht diesen durchsichtigen Schachzug der Verteidigung nicht von vornherein unmöglich machte, indem entweder alle oder keiner der Prozessbeteiligten kontrolliert werden. Gerichtsvorsitzender Götzl, dem ein Hang zu Bürokratismus, Pedanterie und Formalienwahrung nachgesagt wird, hätte schon im Vorfeld im Interesse eines zügigen Prozessbeginns diese formal durchaus zulässige Praxis der Leibesvisitationen unterlassen können. Wichtig ist letztendlich nicht die Umsetzung eines bestimmten aber irrelevanten Gerichtsprozederes, sondern die Aufklärung der Terrorakte.

Jedoch ist die unnötige Verzögerung des Prozesses nicht das Einzige, was die Mär vom angeblichen „Rechtsstaat“ immer mehr der Lächerlichkeit preisgibt. So konnten zwei dem Mitangeklagten Andre E. nahestehende Faschisten dem Prozess als Zuschauer beiwohnen. Jeder mit etwas Mitgefühl ausgestattete Mensch kann sich wohl vorstellen, wie unerträglich die Anwesenheit von bekennenden Faschisten und Rassisten für die Opfer und deren Angehörigen sein muss. Auch wenn die meisten Medien und die staatlichen Institutionen es öffenttlich nicht zugeben wollen. Hier sitzt neben den fünf Angeklagten auch der Faschismus und Rassismus allgemein mit auf der Anklagebank. In diesem Lichte ist die Erklärung von Gerichtssprecherin Andrea Titz schon fast zynisch, wen sie sagt, dass niemandem wegen der Gesinnung der Zugang zum Gerichtssaal verweigert werden dürfe. Als wenn es nicht eben diese Gesinnung u.a. der zwei faschistischen Prozessbeobachter war, die zu Morden geführt hatte.

Was noch auffallend war: Das 500-köpfige Polizeiaufgebot, dass vor allem für den Schutz der angeklagten Faschisten und die Fernhaltung von Protest vom Gerichtsgebäude zuständig war. Wenn es darum geht, Nazis zu verteidigen bzw. den berechtigten Widerstand gegen sie zu kriminalisieren, spielt der Staat seine auch im Laufe der NSU-Morde erfolgte Rolle als Freund und Helfe für die Nazis im Land.

Ein weiterer Fakt, der den gesamten Prozess mit Vorsicht genießen lässt, ist die Ankündigung von Richter Götzl, dass es lediglich um die individuelle Schuld der Angeklagten ginge, nicht jedoch um die Verstrickungen von staatlichen Behörden (wie etwa dem „Verfassungsschutz“). Das Gericht sei Götzl zu Folge kein weiterer Untersuchungsausschuss. Wie absurd diese Begründung ist, zeigt sich schon dadurch, dass die NSU-Morde und Terrorakte ohne die Unterstützung und Deckung durch die Behörden der verschiedenen Verfassungsschutzämter so gar nicht möglich gewesen wären. Eine Aufklärung der individuellen Schuld z.B. Beate Zschäpes, sowie die Rekonstruktion der genauen Ereignisse ist ohne die Beleuchtung von deren Verhältnis zum Inlandsgeheimdienst nicht wirklich durchführbar.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass nicht zu viel vom NSU-Prozess erwartet werden sollte. Jedoch kann eine kritische antifaschistische Öffentlichkeit durchaus Druck auf das Gericht und die staatlichen Behörden ausüben, sodass der Prozess mehr zu Tage fördert, als sich die Verantwortlichen in Geheimdienst, Polizei und Staatsapparat wünschen können. Es bleibt also spannend. Und eines steht auch schon jetzt vor Prozessende fest. Egal ob die Taten um den NSU umfassend aufgeklärt werden oder nicht (was eher zu erwarten ist); in beiden Fällen leidet der Ruf und das Ansehen des „demokratischen Rechtsstaates“ BRD.