Mit viel Spannung wurde der erste
Prozesstag gegen die faschistischen Terroristen des „NSU“ heute in München
erwartet . Jedoch bewiesen Justiz und Polizei gleich am ersten Tag,
dass nicht zu viel von ihnen erhofft werden darf.
Was war geschehen? Die Anwälte der
Hauptangeklagten Beate Zschäpe reichten einen Antrag wegen
Befangenheit gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl ein.
Ebenfalls taten dies die Anwälte des NSU-Unterstützers Ralf
Wohlleben. Grund für die angebliche Befangenheit war Götzls
Entscheidung, alle Anwälte vor dem Betreten des Verhandlungssaals
Leibesvisitationen zu unterziehen, damit diese keine verbotenen
Gegenstände wie etwa Waffen mit in das Gericht bringen können.
Mokiert wird nun von den Anwälten der Faschisten, dass dies
diskriminierend sei, weil sie einerseits unter Generalverdacht
gestellt würden und anderseits diese Kontrollen nicht auch bei den
Mitgliedern der Staatsanwaltschaft und des Gerichts vollzogen würden.
Zwei Dinge sind an diesem Vorgang
zutiefst empörend. Zum Einen die Strategie der Nazi-Anwälte, den
Prozessauftakt unnötig zu verzögern, nachdem es eine gefühlte
Ewigkeit gedauert hatte, bis es endlich zur Anklage gegen die
faschistischen Terroristen kam. Ihr Ziel hat der Rechts-Beistand der
Faschisten nun auch erreicht. Der Antrag wegen Befangenheit wird
geprüft und der Prozess erst am 14.Mai fortgesetzt. Ursprünglich
war geplant, noch in dieser Woche zwei weitere Verhandlungstage
durchzuführen. Unerträglich ist es für die Angehörigen der Opfer
(zehn mit Schusswaffen hingerichtete Menschen und zahlreiceh bei
Sprengstoffanschlägen verletzte und schwerverletzte Menschen) aber
auch für die antifaschistische Öffentlichkeit, dass ausgerechnet
die Verteidiger der Faschisten die dringend gebotene Aufklärung über
die Taten des NSU torpedieren. Mit Mitteln bürokratischer Formalien
wollen dieNSU-Anwälte anscheinend erreichen, dass durch
die Langwierigkeit des Gerichtsverfahren, die kritische
Öffentlichkeit sowie der öffentliche Protest und das riesige
Interesse an dem Prozess zermürbt wird. Außerdem stellt es auch für
die zahlreichen Nebenkläger zeitliche und finanzielle Belastungen
dar, wenn unnötig viele, nicht der Aufklärung dienende
Prozesstage abgehalten werden.Nicht zuletzt wird nämlich das
Strafmaß für die faschistischen Terroristen auch davon abhängen
wie sehr die Öffentlichkeit auf Aufklärung drängt und sich die
Nebenkläger mit in den Prozess einbringen können.Das andere
Empörende ist aber, wieso das Gericht diesen durchsichtigen
Schachzug der Verteidigung nicht von vornherein unmöglich machte,
indem entweder alle oder keiner der Prozessbeteiligten kontrolliert
werden. Gerichtsvorsitzender Götzl, dem ein Hang zu Bürokratismus,
Pedanterie und Formalienwahrung nachgesagt wird, hätte schon im
Vorfeld im Interesse eines zügigen Prozessbeginns diese formal
durchaus zulässige Praxis der Leibesvisitationen unterlassen können.
Wichtig ist letztendlich nicht die Umsetzung eines bestimmten aber
irrelevanten Gerichtsprozederes, sondern die Aufklärung der
Terrorakte.
Jedoch ist die unnötige Verzögerung
des Prozesses nicht das Einzige, was die Mär vom angeblichen
„Rechtsstaat“ immer mehr der Lächerlichkeit preisgibt. So
konnten zwei dem Mitangeklagten Andre E. nahestehende Faschisten dem
Prozess als Zuschauer beiwohnen. Jeder mit etwas Mitgefühl
ausgestattete Mensch kann sich wohl vorstellen, wie unerträglich die
Anwesenheit von bekennenden Faschisten und Rassisten für die Opfer
und deren Angehörigen sein muss. Auch wenn die meisten Medien und
die staatlichen Institutionen es öffenttlich nicht zugeben wollen.
Hier sitzt neben den fünf Angeklagten auch der Faschismus und
Rassismus allgemein mit auf der Anklagebank. In diesem Lichte ist die
Erklärung von Gerichtssprecherin Andrea Titz schon fast zynisch, wen
sie sagt, dass niemandem wegen der Gesinnung der Zugang zum
Gerichtssaal verweigert werden dürfe. Als wenn es nicht eben diese
Gesinnung u.a. der zwei faschistischen Prozessbeobachter war, die zu
Morden geführt hatte.
Was noch auffallend war: Das
500-köpfige Polizeiaufgebot, dass vor allem für den Schutz der
angeklagten Faschisten und die Fernhaltung von Protest vom
Gerichtsgebäude zuständig war. Wenn es darum geht, Nazis zu
verteidigen bzw. den berechtigten Widerstand gegen sie zu
kriminalisieren, spielt der Staat seine auch im Laufe der NSU-Morde
erfolgte Rolle als Freund und Helfe für die Nazis im Land.
Ein weiterer Fakt, der den gesamten
Prozess mit Vorsicht genießen lässt, ist die Ankündigung von
Richter Götzl, dass es lediglich um die individuelle Schuld der
Angeklagten ginge, nicht jedoch um die Verstrickungen von staatlichen
Behörden (wie etwa dem „Verfassungsschutz“). Das Gericht sei
Götzl zu Folge kein weiterer Untersuchungsausschuss. Wie absurd
diese Begründung ist, zeigt sich schon dadurch, dass die NSU-Morde
und Terrorakte ohne die Unterstützung und Deckung durch die Behörden
der verschiedenen Verfassungsschutzämter so gar nicht möglich
gewesen wären. Eine Aufklärung der individuellen Schuld z.B. Beate
Zschäpes, sowie die Rekonstruktion der genauen Ereignisse ist ohne
die Beleuchtung von deren Verhältnis zum Inlandsgeheimdienst nicht
wirklich durchführbar.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass
nicht zu viel vom NSU-Prozess erwartet werden sollte. Jedoch kann
eine kritische antifaschistische Öffentlichkeit durchaus Druck auf
das Gericht und die staatlichen Behörden ausüben, sodass der
Prozess mehr zu Tage fördert, als sich die Verantwortlichen in
Geheimdienst, Polizei und Staatsapparat wünschen können. Es bleibt
also spannend. Und eines steht auch schon jetzt vor Prozessende fest.
Egal ob die Taten um den NSU umfassend aufgeklärt werden oder nicht
(was eher zu erwarten ist); in beiden Fällen leidet der Ruf und das
Ansehen des „demokratischen Rechtsstaates“ BRD.