Donnerstag, 10. Mai 2012

Es wird demokratisch gespart in Europa


Nachdem am Sonntag in Griechenland und Frankreich wichtige Wahlen stattfanden, machen sich in Deutschland bürgerliche Politker und ihnen nahe stehende Medien Sorgen, dass der eingeschlagene „Sparkurs“ nicht wie gewollt durchgesetzt werden könne.  Denn die Wahlergebnisse in beiden Ländern weisen einen deutlichen Linkstrend auf.

In Griechenland schafften die beiden bürgerlichen Parteien zusammen (PASOK und Nea Dimokratia), nicht einmal vierzig Prozent der Wähler hinter sich zu bringen. Stattdessen wurde das Linksbündnis Syriza zweitstärkste Kraft. Auch andere linke Parteien wie die KKE und DIMAR konnten in der Wählergunst zulegen.  Das für die Troika aus IWF, EZB und EU beunruhigenste an diesem Wahlergebnis ist aber nicht einfach nur  der Schwenk nach links sondern, dass sich mit diesem Wahlergebiniss vorraussichtlich keine Regierung bilden lässt, die die Krisenlasten effektiv auf die griechische Bevölkerung abwälzen kann.
Etwas anders sieht die Situation in Frankreich aus. Zwar wurde hier der „Sozialist“  Francois Holland  per Stichwahl in das Präsidentenamt gewählt, doch dass er sich dem „Sparzwang“ ernsthaft widersetzten wird, bleibt äußerst fraglich.  Bevor Hollande den Präsidentschaftswahlkampf begann, galt er als sogenannter „Pragmatiker“, also jemand, der sich schlussendlich den Wünschen des Monopolkapitals unterordnet. Seine linke Rhethorik im Wahlkampf dürfte wohl mehr dazu gedient haben, die Menschen in Frankreich für sich zu begeistern. Denn Hollandes vages Versprechen, den europäischen Fiskalpakt neu zu verhandeln, beinhaltet weder seine eingentlich notwendige Abschaffung, noch konkrete Maßnahmen, die den Massen zu gute kommen.  Nichtsdestotrotz ist die Wahl Hollandes wie auch das gute Ergebnis des Linksfrontkandidaten Jean-Luc Mélenchon ein Zeichen dafür, dass die Menschen die Politik der Abwälzung der Krisenlasten auf ihrem  Rücken satt haben.

Dass dieser Trend nicht einfach nur von „unzuverlässigen Griechen“ und  „rebellierenden Franzosen“  (Spiegel-Online) widergegeben wird, zeigte sich indes bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Auch im Mutterland der „Sparer und arbeitssamen Bienen“ Deutschland werden diejenigen, die eine offen massenfeindliche Politik machen, in Wahlergebnissen angestraft. So verloren die bisherigen Regierungsparteien CDU und FDP zusammen über 227.000 Stimmen gegenüber 2009. Der Grund dürfte vor allem darin liegen, dass beide eine aggressiven „Sparkurs“ vorantreiben, worin Lehrerstellen abgebaut werden und vom Land finanzierte Diensleistungen gestrichen werden sollen. Auch die vermeintlichen Oppositionsparteinen haben absolut an Stimmen eingebüßt: SPD (-3800), Grüne (-24.000) und SSW (-8.600). Bezeichnend ist an diesem Wahlergebnis vor allem, dass das Vertrauen der Menschen in den bürgerlichen Parlamentarismus allgemein zu schwinden scheint und nicht mehr nur die eine oder andere bürgerliche Partei trifft. So stieg die Zahl der Nichtwähler in Schleswig-Holstein um 289.000 auf fast vierzig Prozent an.

In der bürgerlichen Öffentlichkeit werden nun zu hauf Reaktionen zum Besten gegeben, die Bedenken äußern, ob der angeblich alternativlose Sparkurs fortgesetzt werde könne. In dieser Diskussion, über die Wahlen und deren Auswirkungen auf die „Sparkurse“, sei es nun der europäische Fiskalpakt oder die verfassungsmäßige „Schuldenbremse“ in Bund und Ländern, kommen die massiv verbreiteten Lebenslügen des EU-Kapitalismus fast schon ungeschminkt zum hervor.

Dass es beim Fiskalpakt oder der Schuldenbremse weder ums eigentliche Sparen noch um haushaltspolitsche Nachhaltigkeit geht, wird bei genauerer Betrachtung der Umstände klar. Zum Beispiel müssen Unterzeichnerstaaten, die ein zu großes Haushaltsdefizit aufweisen, sich beim Europäischen Rat, sowie der EU-Kommission verantworten und Maßnahmen zur Reduzierung des Defizits vorlegen. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird dann von den eben genannten Institutionen überwacht. Will ein Staat also mehr Geld für Sozialleistungen ausgeben, haben die Institutionen der Europäischen Union die Möglichkeit, dies zu verhindern, sobald der Haushalt des betreffenden Staates defizitär wird. Um Sozialleistungen in ausreichendem Maße oder auch nur im bisherigen zu finanzieren, ist ein ausgeglichener Haushalt unter derzeitigen Bedingungen eine Utopie. Insofern bedeutet der Fiskalpakt nichts weiter als Kürzungen von öffentlichen Leistungen. Im Endeffekt ist er eine Abwälzung der Krisenlasten auf die breiten Massen. Denn die Haushaltsplanung der EU Staaten sieht keineswegs vor, an den Stellen zu sparen, an denen es im Interesse ihrer Bevölkerungen wäre. So wird trotz aller Sparrhethorik nicht daran gedacht, die Etats für Rüstung und Kriegseinsätzen radikal zu kürzen. Auch die sich anhäufenden Zinslasten an Monopolbanken sollen auf jeden Fall bedient werden. Dazu werden immer neue Maßnahmen ersonnen, wie der Europäische Stabilitätsmechanismus, für den die Staaten enorme Summen bereit stellen müssen. Auch an Subventionen für Großkonzerne und Finanzspritzen für kriselnde Unternehmen soll nicht gespart werden.
Zudem ist die Rechtfertigung für die verschiedenen Sparmaßnahmen an Heuchlerei kaum zu überbieten. Angeblich hätten die Menschen vorher auf zu großem Fuß gelebt und müssten nun den Gürtel enger schnallen. Jedoch entspringt die Krise der europäischen Staatshaushalte nicht etwa dem dekadenten Savoir-vivre der Europäer garniert mit übermäßigen Sozialleistungen. Das Problem liegt vielmehr darin, dass Regierungen, um Wirtschaftskrisen abzuschwächen oder um die Position eigener nationaler Monopole auf dem Weltmartk zu stärken, Milliarden an Subventionen in die Konzerne haben fließen lassen. Um diese Politik des monopolkapitalistischen Wünsch-dir-was auch weiter betreiben zu können, muss in Zukunft das gesellschaftliche Einkommen noch stärker als bisher zu Gunsten der Bourgeoisie umverteilt werden. Zu genau diesem Zweck wurden Maßnahmen wie EFSF, ESM, Fiskalpakt etc. ersonnen.

Allerdings wird auch eine zweite Lebenslüge in der aktuellen politischen Situation immer mehr enttarnt. Nämlich die, dass es sich gegenwärtig um demokratische Verhältnisse handele in denen die Bevölkerung den politischen Kurs vorgibt. Wenn die Wahlergebnisse allerdings nicht eine willfährige Parlamentsmehrheit produzieren, ist das die zuhauf ausgesprochene Besorgnis allerdings groß, ob der vereinbarte „Sparkurs“ auch eingehalten werde. Dass die Menschen allerdings nicht darüber entscheiden wollen, wer sie ausplündert sondern darüber ob sie überhaupt ausgeplündert werden wollen oder eher nicht, das geht in die Köpfe der europäischen „Demokraten“ nur schwer hinein. Im Allegemeinen stößt die bürgerliche Demokratie sehr schnell an ihre Grenzen, wenn es darum geht, dass die Interessen der Monopolkapitalisten ernsthaft in Gefahr sind. Als der verhasste Reaktionäre Silvio Berlusconi als italienischer Ministerpräsident zurücktreten musste, wurde nicht etwa ein neues Parlament gewählt, sondern einfach der Technokrat Mario Monti installiert. Noch besser war es mit dem griechischen Regierungschef Giorgos Papandreou, der ein Referendum über Griechenlands Verbleib in der Eurozone durchführen wollte und prompt dafür abgesägt wurde.

Generell bahnt sich an, dass das Krisenmanagement für die europäischen Monopolkapitalisten und ihre Regierungen zunehmend schwieriger wird, da ihre Täuschungsmanöver von den breiten Massen immer mehr durchschaut werden. Das wird eben durch Wahlergebnisse, jedoch vielmehr durch zunehmende Streiks und Proteste deutlich. Allerdings muss man sich auch bewusst sein, dass wenn die demokratische Fassade bröckelt, die Monopolkapitalisten nicht einfach dem Willen der Massen folgen werden. Vielmehr werden sie zu offenerer Unterdrückung übergehen, um ihre Interessen zu verteidigen. Insofern wird es nicht nur auf Grund der Klimaerwärmung ein heißer Sommer in Europa.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen