Nach den beiden Niederlagen
bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist die
Debatte um die zukünftige Führung der Partei „Die Linke“ vollends entbrannt. Auf der 1.Tagung der III. Parteitages am
2./3. Juni soll ein neuer Parteivorstand gewählt werden. Die nun immer offener geführten
Personaldiskussionen symbolisieren dabei die Krise, in der die Partei derzeit
steckt.
Bereits im November kündigte
der ehemalige Bundesgeschäftsfüher Dietmar Bartsch seine Kandidatur zum Posten
des Parteivorsitzenden an. In den bürgerlichen Medien wird Bartsch als
sogenannter "Reformer" bezeichnet, was in Wirklichkeit für einen eher
rechtsgerichteten Kurs innerhalb der Partei steht. Unterstützung erhält
Bartsch vor allem aus den ostdeutschen Landesverbänden der „Linken“.
Mehr oder weniger Prominente Fürsprecher sind unter anderem der ehemalige
Parteivorsitzende Lothar Bisky, der Landesvorsitzende Mecklenburg-Vorpommerns
Steffen Bockhahn oder Thüringens Fraktionschef Bodo Ramelow. Dass Bartsch gerade
von ostdeutschen Linksparteifunktionären Unterstützung erhält, ist kein Zufall.
Hier wird vor allem auf Landesebene versucht, Koalitionen mit der SPD
einzugehen. Die offiziellen
Begründungnen für eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der bürgerlichen SPD
sind die üblichen Phrasen: „Politik lebt von Mitgestaltung“, „Man dürfe sich
der Verantwortung nicht entziehen“ oder „Als fundamentalopposition lässt sich
nichts bewirken.“ Der eigentliche Grund für den Schmusekurs der Ost-„Linken“ mit der SPD aber auch mit den Grünen dürte
aber wohl eher die Aussicht auf gut dotierte Posten und karrierefördernde
Kontakte sein. Mit Dietmar Bartsch als
einem der beiden Vorsitzenden der Linken
wären auch auf Bundesebene die Weichen auf Rot-Rot (-Grün) gestellt. Dieser ist
immerhin Duzfreund von Ex-SPD-Generalsekretär Hubertus Heil und wird von SPD-Partei-Chef
Sigmar Gabriel „ein Ausdnahmetalent in der deutschen Politik“ genannt. Auch inhaltlich steht Bartsch für eine
Anbieberung an die Positionen der bürgerlichen Parteien. So will er den von der „Linken“ im
Parteiprogramm geforderten Truppenabzug aus Afgahnistan keineswegs „schon
übermorgen“.
Ein anderer Altbekannter, der
mit einer Kandidatur zum Bundesvorsitzenden liebäugelt, ist Oskar Lafontaine. Lange hatte dieser gezögert,
sich überhaupt zu einer möglichen Kandidatur zu äußern. Nun wäre er eventuell
bereit. Allerdings will er keine
Kampfkandidatur gegen Dietmar Bartsch, sondern
nur antreten, wenn Bartsch seinerseits auf eine Kandidatur verzichtete und
unter ihm Vize-Vorsitzender der Partei würde. Lafontaine erhält primär
Unterstützung für eine Kandidatur im „linken“ Flügel der Partei (u.a. Kommunistische
Plattform, Antikapitalistische Linke) und bei westdeutschen Landesverbänden. Lafontaine ist sicherlich kein Linksradikaler. In der Kriegsfrage zum Beispiel ist er von der
aufweichenden Position Bartschs gar nicht so weit entfernt, wenn er die
Schaffung eines sogenannten „Willy-Brandt-Friedenscorps“ fordert. Auch stand er einer Fusion von WSAG und PDS vor der Bundestagswahl 2005 noch etwas
skeptisch gegenüber, da der Name der PDS das Wort „Sozialismus“ enthielt, von
dem er sich damals distanzieren wollte. Lafontaine ist zudem ein Vertreter des
sogenannte Keynesianismus – ein Wirtschaftsmodell, das darauf abzielt, Krisen
im Kapitalismus mit staatlicher Investitions-, Fiskal- und Geldpolitik
entgegenzuwirken. Neben der Tatsache, dass Staaten schon immer versuchten, mit diversen Maßnahmen Krisen abzumildern und der gleichzeitigen Utopie, dass dies im
Kapitalismus ginge, sieht eine radikale Gegenerschaft zum kapitalistischen
System jedenfalls anders aus.
Populärste Unterstützerin
Lafontaines ist übrigens seine
Lebensgefährtin Sarah Wagenknecht, die wohl aus taktischen Gründen auf eine eigene Kandidatur verzichtet.
Theoretisch wären mit ihr und Bartsch als Doppelspitze alle Quoten der Partei,
was die Besetzung des Vorstandes angeht, erfüllt. Neben den offiziellen Vorgaben nach einer
Frau/Mann- sowie Ost/West-Spitze spielt auch die informelle, aber bedeutende
Flügelzugehörigkeit eine Rolle, wonach Wagenknecht den „linken“ Flügel
repräsentieren würde. Im Allgemeinen macht die Quotierung den „Linken“ sorgen,
denn neben Wagenknecht, die sich viele Mitglieder als Vorsitzende vorsellen
könnten, gibt es noch kaum potentielle Kandidatinnen für das höchste Parteiamt.
Angekündigt hat sich bisher nur die Bundestagsabegeordnete Sabine Zimmermann.
Andere Namen, die im Raum stehen für den weiblichen Part, sind die bisherige
Vizevorsitzende Katja Kipping, Bundesgeschäftsführerin Caren Lay oder auch die
Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann.
Das Hauptproblem „der Linken“ dürfte aber nicht die Quotierung sein.
Diese macht das Prozedere zur Wahl des Vorsitzendenpaars zwar komplizierter,
doch das eigentliche Problem liegt in der inhaltlichen Ausrichtung der Partei.
Eine verstärkte Regierungsbeteiligung wie Dietmar Bartsch und ein großteil der
ostdeutschen Funktionäre sie befürworten, hat der Partei in der Vergangenheit
jedenfalls nur (Vertrauens) Verluste eingebracht. In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel
erreichte die damalige PDS noch 1998 264.000 der Zweitstimmen. Danach beteiligte
sie sich in zwei Legislaturperioden an „Rot-Roten“ Landesregierungen und bekamm
2006 letztendlich nur noch 137.000 Zweitstimmen. Ähnlich erging es der
PDS/Linken in Berlin. Hier erhielt sie bei der Abgeordnetenhauswahl 2001 noch
366.000 Zweitstimmen, um nach zehn Jahren Koalition mit der SPD auf 171.00 bei
der Wahl 2011 abzusacken. Diese Verluste erklären sich vor allem dadurch, dass
die Linke/PDS, sobald sie sich an einer Regierung beteiligt, sich genauso den
Interessen der Kapitalisten anpassen muss, wie jede andere Regierungspartei
auch. Und dies geht so gut wie immer gegen die Interessen ihres
Wählerklientels, die Arbeiter, Angestellten und Arbeitslosen. In Berlin trug
die Linke zum Beispiel die massenhafte Privatisierung von Sozialwohnungen mit,
was sprudelnde Gewinne für Immobilienspekulanten brachte, jedoch eine
Verschärfung der Wohnraumproblematik in Berlin für die Bevölkerung. Ein weiteres Beispiel "linker" Kollaboration ist Brandenburgs
Wirtschaftsminister Christoffers (Linke), der ein ausgesprochener Verfächter der
Emissionsschleuder Braunkohleverbrennung ist und zudem für den Einsatz der
gefährlichen unterirdischen CO² Speicherung in Brandenburg eintritt.
Zurecht kritisiert also z.B. Sahra Wagenknecht, dass ein
Abzielen auf Regierungsbeteiligungen im Endeffekt die Linke überflüssig machen
würde. Eine weitere bürgerliche Blockpartei, wie sie Bartsch und Co vorschwebt, würde höchstwahrscheinlich
bald ein jähes Ende finden, da allgemein ein Trend des sich Abwendens von
SPD/CDU/CSU/Grüne/FDP zu beobachten ist.
Gaben bei den Bundestagswahlen 2002 noch 44.620.000 Menschen einer dieser fünf
Parteien ihre Stimme, waren es 2005 nur noch 41.312.000 und 2009 gerade einmal
noch 36.560.000. Ein Blick auf die Mitgliederstatistiken beweist ähnliches.
Während die SPD 1990 noch 943.000 Mitglieder hatte, hat sie sich zum Jahr 2011
nahezu auf 499.000 halbiert. Die CDU
erreichte 1993 ihren Nachwendezenit mit 685.000 Mitgliedern, steht im Jahr 2011
allerdings auch nur noch bei 500.000. Wenn man die Mitgliederzahlen aller fünf
eben genannten Parteien addiert, kommt man für das Jahr 1995 auf einen Wert von
1.707 Millionen Mitgliedern. Dieser sank dann zum Jahr 2011 auf 1.259
Millionen. Gerade weil die „Linke“
bislang einen relativ scharfen Oppositionskurs zu diesen Parteien eingeschlagen
hat, konnte sie zumindest bei Wahlergebnissen relativ gut abschneiden. Die
Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn von 10 Euro, dem Abzug aller
deutschen Truppen aus dem Ausland, einer Auflösung der NATO, einer
Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich und das Verbot aller faschistischen Organisationen sind
Forderungen, die die „Linke“ von den anderen im Parlament vertretenen Parteien
abheben. Gerade dieser Umstand macht sie
auch attraktiv für diejenigen, die realisieren, dass CDU/CSU/SPD/Grüne/FDP eben
die Interessen der Kapitalisten auf Kosten
der breiten Massen vertreten.
Jedoch liegt das Dilemma der „Linken“
nicht nur darin, dass der rechte Flügel die Partei anpassen möchte. Auch von
Vertretern der sogenannten „Fundis“, wie Partei"linke" in bürgerlicher Presse abschätzig
genannt werden, kommt viel Illusionäres, was an der kapitalistschen Realität
vorbei geht. In ihrem Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ lobt Sarah Wagenknecht
ausdrücklich, die „Soziale Marktwirtschaft“ unter Ludwig Erhard. Eine
Einführung eines sozialen Kapitalismus ist allerdings unter den Bedingungen des
internationalen Konkurrenzkampfes der Monopole eine Illusion. Ebenso wie die „Kontrolle
der Finanzmärkte“ oder die „Verstaatlichung von Banken“. Zugeständnisse an die
Arbeiterklasse und die Unterdrückten werden die Kapitalisten nur machen, wenn
sie durch die breiten Massen dazu gezwungen werden. Ein parlamentarischer
Beschluss, wie von einigen „Linken“ erträumt, wird sie wohl kaum dazu
veranlassen. Insofern würde auch ein „Linkskurs“ der Linkspartei die Menschen
enttäuschen, wenn sie sich vornehmlich auf parlamentarische Arbeit
konzentriert bzw. auf eine Kapitalismusreform.
Auch wenn im Kampf zwischen
Anbiederung an die bürgerlichen Parteien und parlamentarischer
Fundamentalopposition sicherlich letzteres zu bevorzugen ist, ist „die Linke“ auch
mit grundlegenden Problemen konfrontiert, die den Typus ihrer Partei
charakterisieren. So ist nicht nur das inhaltliche Auseinanderklaffen zwischen
den Flügeln ein Problem, sondern auch die bloße Existenz von diesen. Eine
Partei, die nicht geschlossen agiert und auftritt, dezimiert letztendlich ihre
Schlagkraft. Zudem büßt sie an Überzeugungsfähigkeit nach Außen ein, da nicht
immer klar ist, wofür die Partei inhaltlich eigentlich steht. Desweiteren führt
die Flügel-oder Fraktionenbildung fast automatisch auch zu einer
Seilschaftsbildung. Dies ist auch bei anderen Parteien zu beobachten. Als
Beispiele seien die Seeheimer bei der SPD, die „Realos“ und „Fundis“ bei den
Grünen oder der Andenpakt in der CDU genannt.
Der Effekt ist immer der gleiche. Mitglieder eines Flügel unterstützen
sich gegenseitig bei der Vergabe von Posten und versuchen, andere auszustechen. Hierbei
steht das karrieristische Streben natürlich im Vordergrund. Eine Legitimation
des Polikers durch wirklich demokratische Wahlen, eine Rechenschaftspflicht
gegenüber der Parteibasis und den Wählern sowie der selbstlose Einsatz für die
Interessen der Wähler werden durch Klüngel und Seilschaften nicht nur erschwert
sondern nahezu unmöglich gemacht. Trotzdem führen Auseinandersetzungen zwischen
innerparteilichen Strömungen, wie jetzt bei den „Linken“ oft nicht zur
Spaltung. Beiden Strömungen ist bewusst, dass der Einzug in Parlamente und
somit, die Aussicht auf Posten, staatliche Finanzierung und Medienpräsenz nur
erreicht werden kann, wenn man gemeinsame Sache macht. Ansonsten würden beide
mögliche Nachfolgeparteien riskieren, marginalisiert zu werden.
Ein weiteres Problem der „Linken“
ist ihre mangelnde ideologisch-politische Klarheit, die ihr in vielen
Situationen zum Verhängnis wird. Ein Beispiel ist die Diskussion um die Bezüge
des amtierenden Parteichefs Klaus Ernst. Dieser lässt sich neben den Vergütungen,
die er als Bundestagsabgeordneter erhält,
nämlich auch noch als Parteichef kräftig bezahlen. Dies brachte ihm dann den
Spitznamen „Luxuslinker“ ein. Hätte die Partei klare Statuten, wie viel ein
Funktionär erhalten darf, dann wäre diese peinliche Debatte niemals aufgekommen.
Außerdem müsste von vornherein klar
sein, dass für einen linken Politiker ein extravaganter Lebensstil nicht
in Frage kommt, wenn man den Bezug zur Basis nicht verlieren will.
Ebenso war die
Kommunismusdebatte nach Gesine Lötzschs JungeWelt Interview vom 03.01. 2011 ein
Beispiel für die Konzeptlosigkeit der Partei. Hätte Gesine Lötzsch die
angesprochenen Wege zum Kommunismus ernst gemeint, dann hätte auch die Partei,
sowie sie selbst bei der daraug folgenden antikommunistischen Hetztirade zum
Gesagten geschlossen stehen müssen. Stattdessen gab es ein Herumlavieren von
verschiedenen Funktionsträgern, mit dem Ziel sich irgendwie schon vom
Schreckgespenst Kommunismus zu distanzieren, aber dann doch nicht so ganz. Schließlich gewinnt eine gesellschaftliche
Alternative in Krisenzeiten des Kapitalismus bedeutend an Aufwind und viele
Wähler der „Linken“ würden sich selbst wohl auch als Kommunisten bezeichnen.
Das hin und her Driften
zwischen Anpassung an die Linie der bürgerlichen Parteien und einer
radikaleren, oppositionelleren Haltung wird auch bei der „Antisemitismusdebatte“ deutlich. Nachdem muslimische
Fundamentalisten auf der Internetpräsenz
der Kreisverbandes Duisburg, ohne dessen Wissen einen Link zu einer antisemitichen Seite
postierten, wurde ungeachtet der Umstände sofort eine Verleumdung- und
Hetzkampagne gegen „die Linke“ inszeniert. Trotz der offensichtlichen Absurdität
der Vorwürfe, es gäbe antisemitische Tendenzen in der Partei, gelang es nicht, den Vorwürfen offensiv zu
widersprechen. Aus Angst von bürgerlichen Medien und Parteien noch weiter
geschmäht zu werden, ließ Fraktionschef Gysi lieber die Bundestagsabgeordneten
eine Erklärung unterschreiben, die es unter anderem Verbot an der
Gaza-Hilfsflotte teilzunehmen. Nebst der Tatsache, dass der Hilfkonvoi für Gaza
kein Akt des Antisemitismus ist, hätte die Verleumdungskampagne eher dazu
genutzt werden können, den anderen Parteien ihre Verstrickungen zu
faschistischen und rassistischen Bewegungen vor Augen zu führen.
Das Grundproblem "der Linken" taucht in all diesen Beispielen wieder auf. Es ist der Widerspruch zwischen
linker Rhethorik und Außendarstellung auf der einen Seiten und dem sich Einfügen
in die bürgerlich-kapitalistischen Gegebenheiten auf der anderen Seite. Die
Auseinandersetzung zwischen dem „linken“ und dem „rechten“ Parteiflügel bildet
dabei keineswegs die zwei Seiten des Widerspruch ab. Der Flügelkampf ist mehr
Symptom des Widerspruchs. Auch die Vertreter des „linken“ Flügels wollen es
sich in Parlamentsesseln bequem machen und hoffen auf eine parlamentarische
Reformierung des Kapitalismus. Einzig in der Art und Weise wie die Reform durchgeführt
werden soll, unterscheiden sich die Flügel. Schlussendlich wird „die Linke“ ihr
Grundproblem nicht lösen können und es wird immer wieder in der einen oder
anderen Form auftauchen. Eine linke Partei, die den Kapitalismus nicht durch Revolution abschaffen will, muss entweder
anfangen, genaus dies doch zu wollen oder aufhören, eine linke Partei sein zu
wollen. Ansonsten macht sie sich auf die Dauer lächerlich und unglaubwürdig und
wie alle anderen bürgerlichen Parteien auch– überflüssig.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen