Nach einer gefühlten Ewigkeit ist Christian Wulff nun von seinem gut dotierten Posten als bundesrepublikanischer Chefgrinser mit fürstlichem Einkommen zurückgetreten. Dass dieser Schritt überfällig war, ist klar, wenn man bedenkt wie sehr Wulf an seinem Stuhl geklebt hat. Um keine Ausrede war er verlegen, kein Lamentieren war ihm zu peinlich und keine absurde Rechtfertigung zu platt. Die Krone der Erbärmlichkeit kann sich Wulff eigentlich nur noch aufsetzen, indem er auf den jährlichen 200.000 Euro Ehrensold für ehemalige Bundespräsidenten beharrt. Es dürfte der Moralvorstellung des Katholiken Wulff aber nicht widersprechen, eine derartige Pension für den Rest des Lebens zu erhalten, auch wenn die Dienstzeit nur zwanzig Monate betrug und der Rücktritt aufgrund persönlicher Verfehlung erfolgte.
Was der Rücktritt Wulffs aber lehrt, ist laut „Spiegel“, dass in Deutschland der Rechtsstaat noch funktioniere und Frau Merkel betont, dass vor dem Gesetz eben alle gleich sind. Eine wahrhafte Sternstunde für die Demokratie ist Wulffs Demission, zumindest wenn man der „Zeit“ glauben schenken darf. Und tatsächlich sind in unserem demokratischen Rechtsstaat alle gleich vor dem Gesetz. Denn wenn Wulff nach 20 Monaten die 200.000 Euro Sofortrente erhält und jemand mit vierzig Arbeitsjahren nur 800 Euro ab 65, dann war der eine eben auch Bundespräsident und die andere nur Kassiererin bei Lidl. Zudem ist Wulfs Rücktritt auch auf Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung erfolgt. Kurze eineinhalb Monate nämlich nachdem die meisten ihn zum Teufel jagen wollten. Eine demokratische Sternstunde eben.
Jetzt wo Wulff aber weg ist, und sich einen noch besser bezahlten Posten in irgendeinem Aufsichtsrat suchen kann, werden alle bürgerlichen Parteien nicht müde, zu sagen, wie wichtig es doch jetzt wäre, einen Kandidaten zu finden, der die moralische Integrität aufweist, die dieses anspruchsvolle Amt abverlangt. Deswegen verwiesen SPD und Grüne auch sofort nach Wulffs Abschied darauf, dass sie jetzt bereit wären, gemeinsam mit CDU/CSU und FDP einen überparteilichen, geeigneten Kandidaten zu suchen. Es wird also von ihnen nicht mal mehr ein Scheinkandidat aufgestellt, um einen demokratischen Wettbewerb vorzugaukeln. Aber wieso auch? Schließlich erwiesen sich SPD und Grüne schon bei den Bundestagsabstimmungen zu den europäischen Bankenrettungsprogrammen als Regierungsparteien ohne Kabinettsmitglieder. Was aber auch der Grund sein dürfte, einen bürgerlichen Einheitskandidaten aufzustellen, ist das, was Sigmar Gabriel als „Widerherstellung des Ansehens des Bundespräsidentenamtes“ bezeichnete. Übersetzt bedeutet dies, die psychologische Bindung der Massen an den Staat und den bürgerlichen Parlamentarismus. Gerade in einer Zeit, in der das Vertrauen der Menschen in die bürgerlichen Parteien sinkt und eine allgemeine Wut über deren Politik entsteht, ist ein scheinbar neutraler, weiser Staatsvati, der mal dazwischen geht, wenn der Haussegen schief hängt, ein Instrument, das Vertrauen in den kapitalistischen Staat zu wieder herzustellen. Wer diese Rolle am besten ausfüllen kann, darüber zerbrechen sich jetzt die Parteigranden vom CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne in demokratischer Manier hinter verschlossenen Türen den Kopf, um dann in circa einem Monat die Bundesversammlung zusammen zu zitieren, die dem aufgestellten Kandidaten dann die Zustimmung geben darf. Die Spekulationen gehen jetzt natürlich los, wen sie sich aussuchen, um in Zukunft Bierfeste zu eröffnen und bei Reden zu Feiertagen den Moralpostel zu spielen.
Der rechte Pastor Joachim Gauck, der schon 2010 gegen Wulff antrat, gilt bei vielen als heißer Tipp. Und tatsächlich besitzt Gauck eine gewisse Anerkennung in der Bevölkerung, vor allem aufgrund seiner Rolle in der Aufarbeitung der Stasiverbrechen und seiner oppositionellen Stellung zum SED-Regime. Das ändert aber nichts daran, dass Gauck für fortschrittliche und linke Menschen ebenso wenig akzeptabel ist wie Christian Wulff. Man könnte bei seiner Verteidigung des Agressionskrieges in Afghanistan anfangen und bei seiner Zustimmung für die reaktionären Hartz-Gesetze aufhören. Herausstechend bei Gauck ist aber vor allem sein krankhafter Antikommunismus, der beinhaltet, dass er alles was irgendwie links ist mit SED, Stasi, Mauer, keine Bananen im Konsum usw. gleichsetzt. Andere Namen die kursieren, sind mal mehr mal weniger realistisch.
Wolfgang Schäulbe und Thomas de Maziere sind beide Kabinettsmitglieder und sind wohl kaum entbehrlich, wenn es darum geht, in noch weiteren Ländern Demokratie und Freiheit durch die Bundeswehr stabilisieren zu lassen oder den griechischen Nichtsnutzen endlich fiskale und monetäre Disziplin beizubringen. Außerdem können beide auch nicht als sonderlich beliebt gelten. Weitere Namen, die genannt wurden für Wulffs Nachfolge sind Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer oder Bundestagspräsident Norbert Lammert. Sie alle zählen wohl zu den CDU Politikern, die etwas beliebter sind, oder besser gesagt beliebter gemacht werden, als der Durschnitt. Wirklich interessant als potenzielle Kandidatin ist eigentlich nur Margot Käßmann, die sich durchaus großer Popularität bei weiten Teilen der Menschen erfreuen kann. Sie war im Gegensatz zu Wulff oder dessen Parteikameraden Adolf Sauerland bereit, ihren Posten zu räumen, als sie angetrunken am Steuer erwischt wurde, was ihr großen Respekt entgegenbrachte. Außerdem stießen ihre kritischen Äußerungen zum Afghanistankrieg auf viel Beifall, sowie ihre für eine Kirchenvertreterin sehr fortschrittliche Position zur Empfängnisverhütung.
Jedoch würde auch Käßmann sich der kapitalistischen Staatsräson unterordnen müssen. Denn was taugt den deutschen Übermonopolen eine Präsidentin, die ihre Politik und ihre Machenschaften offen kritisiert. Deswegen kann man jetzt schon sagen, wer auch immer Bundespräsident/in wird, er oder sie wird ein Vertreter der Reaktion und des Imperialismus sein. Deswegen bleibt nur interessant, auf welche Art und Weise die herrschende Klasse versucht, die Massen zu täuschen oder aber versucht auf eine härtere Gangart ihnen gegenüber einzustellen. Wer auch immer ausgewählt wird, er oder sie symbolisiert nur die Art und Weise, wie regiert werden soll, nicht aber einen „Politikwechsel“. Dass die Kapitalistenklasse weiter regiert und dass natürlich auch nur in ihrem eigenen Interesse, das wird auch verhindern, jemals einen fortschrittlichen Menschen im Schloss Bellevue zu sehen.
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