„Die beste Wahl“ so titelte der SPIEGEL zur Nominierung Peer Steinbrücks zum Kanzlerkandidaten der SPD für die kommende Bundestagswahl im Jahr 2013. Und in der Tat, Deutschlands Leitmedium Nummer Eins trifft es mal wieder auf den Punkt. Steinbrück ist die beste Wahl für eine Partei wie die SPD. Aber auch für das Wahlvolk, welches in einem Jahr mal wieder die Qual der Wahl hat, sich zwischen alternativlosen Sparmaßnahmen oder einsparenden Alternativen entscheiden zu müssen, ist seine Nominierung ein Segen.
Endlich packt die SPD die Karten auf den Tisch und dies vielleicht deutlicher als je zuvor. Steinbrück ist ein konsequenter Verfechter der Agenda und Hartz Politik unter Gerhard Schröder. Parteigenossen, die soziale Korrekturen an diesen Armutsreformen fordern, werden von ihm als Heulsusen bezeichnet. Er plädiert knallhart für eine Absenkung des Rentenniveaus von derzeit 50 auf später 43 %, was erhebliche Rentenkürzungen für Durchschnitts- und Geringverdiener bedeuten wird. Kurz nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten forderte er auf einem NRW Landesparteitag der SPD dann auch schon mal eine gewisse Beinfreiheit für sich ein, beruhend auf der Begründung das Wahlprogramm müsse auch zum Kandidaten passen. Übersetzt heißt das also: Steinbrück möchte nicht zu viele linke Querschläger. Überhaupt macht Steinbrück deutlich: Alles soll so bleiben, wie es ist. Bloß statt Angela Merkel soll halt er Bundeskanzler sein.
Natürlich könnte man sich jetzt ärgern, dass die SPD ein im Rechtssein nur noch von Thilo Sarrazin zu überbietendes Parteimitglied zum Kanzler machen will und damit weder eine Abkehr von der Schröder‘schen Ära noch die Bildung einer „linken“ Koalition (SPD, Grüne, Linke) in Aussicht steht. Doch Steinbrücks Nominierung sollte weniger als ein weiterer falscher Schritt der „Genossen“ bewertet werden, sondern vielmehr als eine logische Konsequenz der Entwicklung der SPD. Nicht erst seit Gerhard Schröder war die SPD stets bemüht, den Interessen der deutschen Monopolkapitalisten zu entsprechen. Ob es nun die Verabschiedung des „Radikalenerlasses“ 1972 unter Willy Brandt war, der „Verfassungsfeinden“ die Ausübung bestimmter Berufe verbot und damit viele fortschrittliche politische Aktivisten in existenzielle Nöte brachte. Oder auch die Zustimmung der SPD Bundestagsfraktion 1992 zum sogenannten „Asylkompromiss“, in der faktisch das Asylrecht abgeschafft wurde; in einer Zeit in der die sich verschärfenden sozialen Widersprüche in der BRD in Ausländerfeindlichkeit kanalisiert werden sollten.
Mit Peer Steinbrück als Spitzenkandidaten für die kommende Bundestagswahl sind somit auch die letzten Illusionen über eine soziale SPD dahin, die vorher mehr oder weniger gut kaschiert werden konnten. Nicht dass mit einem anderen Kanzlerkandidaten eine Wende in der Politik der Sozialdemokraten zu erwarten wäre, aber andere SPD Politiker hätten es vielleicht vermocht, in Form linkerer Rhetorik der Partei einen sozialeren Anstrich zu geben. Aber die SPD tut sich und allen anderen den Gefallen, mit der sozialen Demagogie endlich zu brechen. Steinbrücks klare Botschaft ist: ein Kapitalismus mit menschlichem Antlitz funktioniert nicht – weil, na klar: zu teuer – und wird darum er auch gar nicht erst angestrebt –denn, warum auch das Unmögliche versuchen. Steinbrück ist auch Realist genug, um zu wissen, dass die traditionelle Basis der SPD – die Arbeiter und Angestellten – sowieso nicht zu ihr zurückkehren. Also macht er in seinem Buch „Unterm Strich“ auch gleich deutlich, dass er eine Anbiederung an die Arbeiterklasse ablehnt und sein Stimmvieh daher vor allem im Kleinbürgertum zu suchen ist.
Dazu passt auch sein Konzept zur Banken –und Finanzmarktregulierung. Was manch einer noch als Kapitalismus light schön reden könnte, ist ein alter Schuh aus der Mottenkiste. Eine Trennung von Investmentbanking und Einlagengeschäft bei Banken wird wohl kaum dazu taugen, den Spekulationszwang aufgrund von chronischer Überakkumulation von Kapital abzuschaffen. Auch eine von Steinbrück geforderte Bankenaufsicht wird eher ein weiteres hochbezahltes Gremium sein, vor dem das Finanzkapital mit seiner ökonomischen Macht kaum erzittern dürfte. Allerdings macht sich auch im kleinbürgerlichen Milieu Kritik an den Auswirkungen des Kapitalismus breit und darum hat Steinbrück diesen kapitalistischen Kosmetikbeutel auch mit im Gepäck.
Ein weiteres Dankeschön an die SPD muss an dieser Stelle in Bezug auf das Nominierungsverfahren geäußert werden. Von vornherein standen nur drei Kanzlerkandidatenkandidaten zur Auswahl. Die sogenannte Troika mit Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und eben Peer Steinbrück beanspruchte faktisch seit der letzten Bundestagswahl das Exklusivrecht für sich, den Kreis der möglichen Kandidaten zu bilden. Zwar wurde dieses Dreiergespann nicht zum Kanzlerkandidatentriumvirat gewählt, aber spätestens seit der berüchtigten „Bastapolitik“ unter Gerhard Schröder, sollte die SPD Basis wissen, dass sie eh nur zum Abklatschen von Hinterzimmerentscheidungen da ist. Und natürlich verhielt es sich auch so mit der endgültigen Festlegung auf Steinbrück. Eine Mitgliederbefragung war genauso überflüssig, wie eine Kür durch eine von den Mitgliedern legitimierte Delegiertenversammlung. Lässig wie immer, berief Sigmar Gabriel eine Pressekonferenz ein und stellte die Partei vor vollendete Tatsachen. Frei nach dem Motto: Wieso Demokratie heucheln, wo keine da ist? Ein bisschen Tamtam musste dann aber doch noch sein. Darum durfte der SPD-Parteivorstand dann in überraschender Einstimmigkeit nochmal ja zu Steinbrück sagen und zum Besten geben, wie froh man doch sei nun den besten Kandidaten bestimmt zu haben.
Ob die SPD und Steinbrück nun realistische Chancen haben, die nächste Bundesregierung anzuführen, ist aufgrund der derzeitigen Umfragewerte (31% SPD) und der getätigten Koalitionsaussagen (nur Rot-Grün) zweifelhaft. Aber da CDU/CSU/FDP/SPD/Grüne sowieso bei allen wichtigen Fragen einer Meinung sind, ist es auch egal, wer es sich in den Ministersesseln bequem machen darf. Viel amüsanter wird sein, wie sich Steinbrück als ehemaliger Finanzminister unter Merkel und ihr ideologisch Verwandter umherwinden wird, um sich als Alternative zu ihr und der Schwarz-Gelben Regierung zu präsentieren. Steinbrück, der bestimmt keine linken Sticheleien setzten wird, kommt vielleicht noch auf die Idee, die CDU rechts zu überholen. Thilo Sarrazin im Schattenkabinett als Innenminister wäre da doch schon mal ein Anfang.
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